20.12.2020
Bundesliga

Fröhliche Weihnachten!

Das 2:0 beim FC Augsburg bedeutet weit mehr als drei Punkte. Bestätigt ist der Glaube, dass sich Hartnäckigkeit auszahlt, zurück die Gewissheit der eigenen Spielstärke.

Die Felsbrocken, die den Spielern und Verantwortlichen am frühen Samstagabend von ihren rot-schwarz-weißen Herzen kullerten, waren gefühlt bis nach Frankfurt zu hören und nicht zuletzt den Aussagen nach dem 2:0-Sieg beim FC Augsburg zu entnehmen. Martin Hinteregger sprach nach der Entscheidung von einer „riesen Erleichterung“, Bruno Hübner von „definitiv wichtigen drei Punkten“ und Adi Hütter von einem „absoluten Befreiungsschlag“. Denn tatsächlich, um bei der Symbolik zu bleiben, mussten sich die Adler in den vergangenen neun sieglosen Spielen gewissermaßen wie Sisyphos vorgekommen sein. Dem Helden aus griechischen Sagen, der als Strafe für ein nicht näher bekanntes Vergehen einen Felsblock bis zum Gipfel eines Berges in der Unterwelt hinaufwälzen musste, jener aber immer kurz vorm Ziel zurück ins Tal rollte. Fünfmal waren die Hessen in den vorangegangenen fünf Partien in Führung gegangen und hatten am Ende immer mindestens zwei Zähler abtreten müssen.

Weshalb auch Kevin Trapp hinterher zugab, dass „Spielverläufe wie zuletzt natürlich in den Köpfen drin“ seien. „Umso wichtiger, dass wir bis zum Schluss gekämpft und das Glück erzwungen haben.“ Woran der Schlussmann keinen unwesentlichen Anteil beitrug. „Kevin Trapp hat ein paarmal gut gehalten und wir am Ende gut verteidigt“, lobte Hinteregger, wohlwissend, welch balsamierende Wirkung die erste weiße Weste nach 14 Pflichtspielen 2020/21 hatte. Saisonübergreifend waren es in der Bundesliga gar 17 Begegnungen gewesen, in denen die Eintracht ihren Kasten nicht sauber halten konnte.

Wir haben bis zur 70. Minute auf einem nicht einfachen Platz richtig gut Fußball gespielt. Dafür stehen wir als Eintracht, nicht nur für Umschaltfußball.

Martin Hinteregger

Auf der anderen Seite hob Hinteregger auch hervor, dass „wir bis zur 70. Minute richtig gut Fußball gespielt“ haben. „Dafür stehen wir als Eintracht, nicht nur für Umschaltfußball.“ Was in den letzten 90 Minuten 2020 zu einem mutigen wie munteren Schlagabtausch führte, auch weil den Fuggerstädtern das kalkulierte Risiko der Gäste zupass kam, zumindest bis bei Trapp Endstation war. Weshalb nicht nur Hinteregger bei der Rückkehr zu seinem Ex-Klub „ein eigenartiges Spiel“ gesehen hatte, „weil es hin und her ging“. Weshalb sich auch Erik Durm, der in der ersten Halbzeit mit einem sehenswerten Pfostenkracher auf sich aufmerksam gemacht hatte, in der Halbzeitpause an die engen Begegnungen zuvor erinnert sah, „als wir große Chancen hatten.“

Eine Meinung, die der rechte Flügelspieler alles andere als exklusiv hatte. Die Bild hatte nach der ersten Halbzeit „Chancen für drei Siege“ notiert, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung auch nach dem Seitenwechsel ein „Frankfurter Chancenfestival“ beobachtet. Ebenso der Wiesbadener Kurier, der meinte: „In der letzten Viertelstunde vor der Pause hatte [die Eintracht] Chance auf Chance, nutzte aber keine.“ Und weiter: „Die Frankfurter waren nicht nur offensiv aufgestellt, sie spielten auch offensiv.“

Tatsächlich war hinsichtlich Aufstellung und Auftreten im Vergleich zum 3:3 gegen Mönchengladbach vier Tage zuvor kaum ein Unterschied auszumachen. Abgesehen von der Tatsache, den Gelb-Rot-gesperrten David Abraham ersetzen zu müssen. Zur Lösung dieser Aufgabe wählte Cheftrainer Hütter zwei Mal den kürzesten Weg und setzte auf Tuta als Eins-zu-eins-Vertretung in der rechten Innenverteidigung. „Tuta ist im Kreise der designierten Nachfolger von David Abraham. Er hat bis auf eine Szene ein gutes Spiel gemacht“, erklärte der Fußballlehrer im Nachgang. Tuta verbuchte mit fünf die meisten Tackles und mit vier die meisten klärenden Aktionen nach Hinteregger (sechs). Zudem führte er die meisten Zweikämpfe (17), von denen anteilig nur Makoto Hasebe mehr für sich entschied. Dem (dienst-)ältesten Akteur auf dem „nicht einfachen Rasen“ (Hinteregger) fiel schließlich die logische Rolle als Interimsspielführer zu.

Auf Pech folgt Glück

Dass in diesem Zusammenhang ein spezieller Zweikampf für Diskussionen sorgte, mochten auch die Frankfurter nicht bestreiten. „In einer Szene hatten wir Glück, dass wir keinen Elfmeter bekommen haben“, bezog sich Hütter auf das Gezerre zwischen Tuta und Landsmann Iago in der 73. Minute, und fügte zugleich hinzu: „Über das Jahr gesehen gleicht sich das aber aus, wir haben schon viel Pech gehabt.“ So wie der Video Assistant Referee in besagter Sequenz aufgrund der Tatsachenentscheidung von Schiedsrichter Daniel Siebert nicht einschritt, war es beispielsweise zuvor bei Abraham der Fall gewesen, der wegen zwei an sich harmloser Fouls zwei Gelbe Karten gesehen hatte. Beides diskutable, aber keine Entscheidungen, die der Unparteiische nicht anders hätte wahrnehmen können.

Auch auf der anderen Seite des Spielfeldes meinte es der Fußballgott endlich gut mit der Eintracht, „nachdem wir in den vergangenen Wochen nicht immer vom Glück verfolgt waren“, so Hütter, der betonte: „Das 1:0 war zwar glücklich, aber das haben wir vorher gut ausgespielt.“ Tatsächlich war dem Slapstick-Eigentor der Hausherren ein sehenswerter Pass von Aymen Barkok auf André Silva vorausgegangen, der mit seinem scharfen Querpass zwei undankbare Abnehmer fand.

Rodes Signal und Ilsankers Ausflug

Als mehr als dankbar erwiesen sich in der Schlussviertelstunde die Wechselmöglichkeiten auf Seiten der Adlerträger. Nach knapp 70 Minuten hatte Sebastian Rode signalisiert, dass die Batterie leer sei, was Trapp großen Respekt abnötigte: „Das ist auch positiv, wenn jemand von sich aus sagt, dass er nicht mehr kann.“ Also kam mit Stefan Ilsanker zunächst die etwas defensivere Variante auf der Doppelsechs ins Spiel. Eigentlich wie gemacht dafür, zu helfen, die knappe Führung über die Zeit zu bringen, schaltete sich der Österreicher bei einem der wenigen Entlastungsangriffe am Ende entschlossen ein und stand beim Assist von Steven Zuber goldrichtig. „Für ihn persönlich freut es mich natürlich auch, auf diese Weise zu den wichtigen drei Punkten beigetragen zu haben“, adelte Hinteregger seinen Landsmann.

Debütant: Ajdin Hrustic.

Was dabei fast unterging, war nicht unbedingt das Debüt des ebenfalls frisch gekommenen Ajdin Hrustic, sondern dessen instinktive Entscheidung, nicht selbst den Abschluss zu suchen, sondern den von Zuber gespielten Querpass auf Ilsanker durchzulassen. Die Frankfurter Rundschau eröffnete in ihrer „Einzelkritik“ dafür eigens eine neue Kategorie „Sonderlob“: „Alle drei eingewechselt, alle drei am 2:0 beteiligt: Zuber fintierte am Flügel, passte nach innen, Hrustic ließ die Kugel klug durch die Beine passieren – und der viel gescholtene Ilsanker schloss zum 2:0 ab. Pardauz. Perfekter Angriff.“

Kurze Pause, schwerer Neujahrsstart

Und perfektes Ende eines komplizierten Kalenderjahres. Weshalb Hütter in Anbetracht der Umstände resümierte: „Wir sind dankbar dafür, dass wir nach dem Ausbruch der Coronapandemie spielen und unseren Job ausführen durften. Mit diesem Sieg geht sportlich gesehen ein gutes Jahr für uns zu Ende.“ Welches gleichwohl auch als Anfang dienen kann und soll. „Nun gilt es die Kräfte zu mobilisieren und im neuen Jahr voll anzugreifen“, gibt Hinteregger nach dem voraussichtlichen Überwintern auf Platz neun die Marschroute vor. Zuvor lassen es sich alle Beteiligten aber nicht nehmen, „Weihnachten etwas genießen“ zu können, freut sich Durm auf die Feiertage im Kreise der Familie. Weiter geht’s am Samstag, 2. Januar, wenn Bayer 04 Leverkusen im Deutsche Bank Park gastiert. Der tabellarisch betrachtet derzeit zweitschwerste Brocken. Aber damit kann Eintracht Frankfurt ja bekanntlich am besten umgehen.