21.06.2020
Bundesliga

Gesund und munter

Vor wenigen Wochen noch sportlicher Patient, strotzen die Adler auf der Zielgeraden vor Tatendrang. Selbst wenn es vermeintlich nichts mehr zu holen gibt.

Gewissheit herrschte am Samstagnachmittag schon gegen halb fünf. „Wir wollten natürlich die Chance auf das internationale Geschäft wahren, wussten aber auch über die Zwischenstände auf den anderen Plätzen Bescheid“, gewährte Adi Hütter nach dem 1:1 beim 1. FC Köln Einblicke in das Kabinenbild während der Halbzeitpause, als die Eintracht trotz überlegener Leistung unnötig 0:1 in Rückstand lag. Was offensichtlich aber kein Grund sein sollte, die verbleibenden 135 Bundesligaminuten in dieser Saison herzuschenken. „Trotz allem haben wir in der zweiten Halbzeit fast auf ein Tor gespielt“, verwies der Cheftrainer entsprechend ebenso auf die intakte Moral der Adlerträger wie Bruno Hübner: „Den Elfmeter haben wir uns leider selbst zuzuschreiben. Aber angesichts dessen, wie die Mannschaft in der zweiten Halbzeit aufgetreten ist und an sich geglaubt hat, ist das Unentschieden hochverdient.“ Der Cheftrainer machte nicht nur nach dem Schlusspfiff des letzten Auswärtsspiels mit seiner fundierten Analyse auf sich aufmerksam, sondern hatte bereits während des Gastspiels am Rhein die Blicke der Anwesenden, Kameralinsen und Fernsehzuschauer auf sich gezogen. Weshalb die erste Frage im Nachgang zunächst dem schwarzen Gips am linken Arm und der persönlichen Gesundheit galt. „Die Operation war wegen eines Karpaltunnelsyndroms geplant. Dabei wird ein Nerv aufgespaltet – nichts Dramatisches“, gab der 59-Jährige entspannt Entwarnung.

Nach OP mit Gips und wohlauf: Bruno Hübner.

Der Kölner würde sagen: „Et es wie et es.“ Dass aber Eintracht Frankfurt mittlerweile den Status des sportlichen Patienten ablegen konnte, hat mit mehr als einem Eingriff zu tun. Im Winter gewissermaßen auf der Intensivstation und zu Beginn der Rückrunde scheinbar genesen, standen die Hessen noch vor zwei Wochen zumindest unter Beobachtung, gelten mittlerweile aber dank einer Mischung aus gewissenhafter Belastungssteuerung, kollektiver Selbstüberzeugung und individueller Fortentwicklung als geheilt. Festzumachen ließen sich jene drei Punkte etwa an Djibril Sow, der in den vergangenen Wochen nicht mehr den Dauerbrenner aus der Hinrunde gab, entsprechend frischer wirkte und mit fortschreitender Saisondauer gleichermaßen eingespielter wie entschlossener auftritt. „Djibi musste in der Vergangenheit immer wieder Kritik einstecken, deswegen freut mich die mit Danny da Costa eingeleitete Torvorlage für ihn umso mehr“, sagte Hütter über seinen schon aus Berner Zeiten bekannten Schützling.

Doppeleins, Doppelspitze

Auch die übrigen Startelfrückkehrer sollten nicht enttäuschen. Hinten rechtfertigte Frederik Rönnow das Vertrauen in seine Trainingsleistungen, war aufgrund der zuverlässigen Arbeit seiner Vorderleute zwar nahezu beschäftigungslos, jedoch zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle und nur per Strafstoß zu überwinden. Weshalb Hütter wiederholt davon spricht, über „zwei Nummer-eins-Tormänner“ zu verfügen. Doppeleins auf der einen, Doppelspitze auf der anderen Seite, wo Bas Dost nicht nur Frankfurts Tor des Tages erzielte, sondern auch die meisten Schüsse aller Akteure verzeichnete: drei. Mit Lucas Torró lief außerdem neben dem Niederländer ein zweiter Turm aus der Kategorie 1,90-Meter plus auf. Die Lufthoheit sollte sich im Endeffekt zwar nicht auszahlen, dafür agierte der defensive Mittelfeldspieler im Spiel gegen den Ball wie alle Adlerträger aufmerksam und bissig und spulte von seinen Kollegen die meisten Kilometer ab: 11,8.

In Lauerstellung: André Silva und Bas Dost.

Dafür erhielten der angesichts elf Spielen in anderthalb Monaten gewollten Dosierung die Routiniers David Abraham und Makoto Hasebe eine Pause. Auch wenn der Frankfurter Verbund nahezu keine Chance zuließ, zeigt sich etwa gerade der Wert des Kapitäns dann, wenn er nicht spielt: In dieser Saison gewann die Eintracht von 14 Bundesligabegegnungen ohne Abraham eine. Mit dem Capitano waren es elf Siege aus 19 Partien – im Schnitt 0,5 stehen 1,9 Punkte gegenüber. Genauso Fakt ist, dass der aktuell Tabellenneunte 24 seiner 29 Rückrundentreffer nach dem Seitenwechsel erzielt hat und speziell nach der Ligaunterbrechung hinter dem FC Bayern mit 18 Buden die treffsicherste Mannschaft stellt. Davon sieben beigesteuert von André Silva, der zwar in der Domstadt leer ausgegangen war, sich aber dennoch ein Kompliment verdiente: „Bei meinem Tor macht André einen guten Lauf am ersten Pfosten und zieht einen Gegenspieler auf sich. Wenn er diesen Lauf nicht macht, komme ich erst gar nicht in diese Position“, erkannte Dost, der sich wie sein Sturmpartner an der eigenen körperlichen Verfassung erfreut. „Ich bin trotzdem stolz auf die Mannschaft, weil wir immer bis zum Ende kämpfen.“

Auch wenn es nicht immer zum erhofften Teilergebnis reicht. Insgesamt lässt sich Hübner das Abschneiden aber nicht schlechter reden lassen als es ist: „Wenn wir nächste Woche einen einstelligen Tabellenplatz erreichen, können wir von einer ordentlichen Saison sprechen, zumal wir im Halbfinale des DFB-Pokals standen, in dem wir nach einer sehr guten zweiten Halbzeit erst gegen den Titelverteidiger ausgeschieden sind. Und mal sehen, was in der Europa League noch möglich ist.“ Abschließend besinnt sich auch Hütter lieber auf das, was ist, und nicht, was sein könnte. „Schade ist es für einen Verein wie Eintracht Frankfurt und seine Fans allemal, nicht international zu spielen. Aber genauso wenig ist es für uns eine Selbstverständlichkeit.“ Genauso wenig die vier Halbfinals in vier Jahren auf der einen und der Klassenerhalt auf der anderen Seite. Deshalb hegt Bruno Hübner die Hoffnung, „uns in Ruhe auf die Bundesliga vorbereiten und die Mannschaft gezielt weiterentwickeln zu können, ohne dauernd auf Reisen zu sein.“ Dazu zählt schon am Dienstag eine Laktattestreihe. Die Verantwortlichen überlassen weiter nichts dem Zufall, denken also alles andere als „et kütt wie et kütt.“