22.11.2020
Bundesliga

Gewechselt und gewachsen

Das 1:1 gegen Leipzig lässt ebenso aufhorchen wie fünf Änderungen in der Startelf. Genauer betrachtet halten sich die Neuerungen aber in Grenzen.

Wie sich die Gemüter doch wandeln können. 1:1 gegen Leipzig, der elfte Punkt, der elfte Saisontreffer, nach Samstagabend Platz elf – und doch „würde“ Kevin Trapp „von einem guten Unentschieden sprechen. Die Unentschieden davor tun mehr weh, aber gegen Leipzig ist das okay“, befand der Nationaltorhüter. Einfach weil auf der Gegenseite im Deutsche Bank Park eben der Vorjahresdritte und nicht – mit Verlaub – Stuttgart, Bremen, Bielefeld oder Köln stand. Nach der bis März letzten Länderspielpause erfüllte sich aus Frankfurter Sicht vieles davon, was sich die Adlerträger im Vorfeld erhofft und vorgenommen hatten: Mit den Aufgaben zu wachsen.

Die Größe der Herausforderung war im Vorfeld insbesondere an den Defensivstatistiken der Sachsen abzulesen gewesen: Ob Gegentore insgesamt (vier), nach Kopfbällen, nach Standards oder in der Schlussviertelstunde (allesamt null), zudem auf der anderen Seite die meisten Torschüsse der Liga (124) – die Vorzeichen hätten günstiger stehen können, um die eigene Ausbeute auszubauen, ohne dabei blind ins offene Messer zu rennen. „Wir wussten, dass wir nicht viele Chancen bekommen würden, diese aber schnell nach vorne ausspielen müssen“, gewährte Stefan Ilsanker nach dem Schlagabtausch mit seinem Ex-Verein Einblicke in die Gegneranalyse. Umso mehr Chancen wiederum gewährte Adi Hütter seinen Schützlingen und wechselte im Vergleich zum 2:2 beim VfB Stuttgart auf fünf Positionen.

Von Zentralafrika ins rechte Mittelfeld

Der Cheftrainer überraschte damit nicht nur Außenstehende, sondern selbst Leipzigs Coach Julian Nagelsmann. Der war zwar davon ausgegangen, dass Frankfurt erstmals in dieser Spielzeit zur Anfang des Jahres zwei Mal gegen Leipzig erfolgreich praktizierten Viererkette zurückkehren würde, „die Grundordnung hatte ich so erwartet.“ Aber: „Adi hat uns mit seinem Personal überrascht.“ Intern wiederum hielt sich die Verblüffung in Grenzen, wie Trapp hinterher aufzählte: „Evan Ndicka ist schon länger dabei und ein fester Bestandteil. Aymen Barkok hat sowieso immer gut gespielt, als er reinkam.“ Was in dieser Runde nebenbei in jedem Pflichtspiel der Fall war, im neunten nun erstmals unter Hütter von Beginn an.

Dass sowohl Ndicka als auch Barkok ihr jeweils 50. Bundesligaspiel bestritten und direkt an der Führung beteiligt waren, rundete das Rotationsbild zusätzlich ab. Während Marokkos Nationalspieler Barkok vom Länderspiel in Zentralafrika direkt ins rechte Mittelfeld rückte, lief auf der linken Außenbahn der wiedergenesene und über alle Zweifel erhabene Filip Kostic auf. Ebenfalls eine mehr logische als experimentelle Maßnahme. „Ich freue mich, dass Filip Kostic über 90 Minuten durchgehalten hat“, erklärte auch Hütter, der sich in der Hereinnahme des Serben bestätigt sah: Mit neun Flanken und einem Pfostenschuss erwies sich der 28-Jährige gleich als belebendes Element.

Neun Flanken, ein Pfostenschuss: Filip Kostic.

Blieb zum einen Djibril Sow, der in Abwesenheit des weiter lädierten Sebastian Rode den Vorzug vor Dominik Kohr erhielt und mit 12,5 Kilometern seinem Ruf als Laufwunder sogleich alle Ehre machte. Wie überhaupt das gesamte Team, das in Summe rund 117 Kilometer abspulte. Auch der letzte verbliebene Neue enttäuschte nicht, im Gegenteil: Erik Durm entschied als Rechtsverteidiger mit 13 die meisten direkten Duelle für sich und haderte einzig mit einem Zweikampf, den er nicht bestritt: „Die Situation vor dem Gegentor. Das war für mich nicht ganz einfach, weil ich mir nicht sicher war, ob ich rausverteidigen sollte. Das war nicht optimal verteidigt. Trotzdem waren wir geschlossen als Mannschaft sehr, sehr aggressiv und haben genau das gemacht, was wir uns vorgenommen haben.“

Wozu auch zählte, „nach Ballgewinn direkt nach vorne umzuschalten. Wir wussten, dass wir unsere Chancen bekommen würden“, wie Barkok bekräftigte, der mit dem ersten Schuss aufs Tor kurz vor der Pause eine bei der Eintracht in den vergangenen Wochen ungeahnte Effizienz bewies. „Mit ihm wollten wir spielerische Akzente setzen, dahingehend ist zwar nicht alles gelungen, nichtsdestotrotz hat er nicht nur mit seinem Treffer seine Aufstellung gerechtfertigt“, hatte Hütter für das Eigengewächs mehr Lob als Tadel übrig, was generell für die gesamte Mannschaft galt: „Taktisch hat mir das sehr gut gefallen, Kompliment an die Mannschaft, die gelaufen ist und gekämpft hat. Spielerisch war es ein bisschen wenig“, bestätigte der Fußballlehrer, was selbst Menschen, die das „intensive Spiel“ nicht verfolgt haben sollten, an der Passquote von 68 Prozent ablesen können. Bezeichnend überdies, dass die meisten Pässe in die gegnerische Hälfte von hintersten Mann Kevin Trapp ausgingen: 27. Der ärgerte sich zwar seinem Naturell entsprechend über den Ausgleich, erfreute sich aber am Ende an den kleinen Dingen, wie Durms Comeback, „weil er lange nicht gespielt hat, von vielen schon abgeschrieben war und es super gemacht hat.“

Konkret: Letztmals in der Startelf hatte der Weltmeister von 2014 am 24. Februar gegen Union Berlin gestanden, der Gegner der Eintracht am kommenden Samstag, 15.30 Uhr. Die personelle Teil-Renaissance möchte Hütter auch als Fingerzeig an seine Truppe verstanden wissen. „Das ist ein Zeichen für alle, die länger nicht zum Zuge kommen: Ihr erhaltet eure Chance!“ Bereits im September hatte der Österreicher auf die Frage nach der nächsten Aufstellung angekündigt: „Das kann nach vier, fünf Spieltagen komplett anders aussehen. Sei es aus Form-, Verletzungsgründen oder einer Sperre. Wichtig ist mir, dass alle parat sind, wenn man sie braucht.“ Was am achten Spieltag zweifelsfrei der Fall war. Die nächsten Casting-Gelegenheiten bieten sich den Frankfurter Fußballern an insgesamt fünf Trainingseinheiten zwischen Dienstag und Freitag, darunter eine Doppelschicht am Mittwoch.