01.06.2023
Historie

„Konnte es in den Augen der Spieler sehen“

Gelson Fernandes erinnert sich an den DFB-Pokalsieg 2018, schaut auf seine alte Position sowie das Duell mit Leipzig und spricht über die Bedeutung, das Eintracht-Trikot zu tragen.

Im Mai, drei Wochen vor dem DFB-Pokalfinale gegen Leipzig, sitzt Gelson Fernandes im Deutsche Bank Park. Der 36-Jährige, geboren in Praia (Kap Verde) und aufgewachsen in der Schweiz, ist gut gelaunt – gerade hat die Eintracht einen 3:0-Heimsieg gegen Mainz eingetütet. „In diesem Stadion ist es immer geil, das spürt man. Ich hatte viel Spaß. Meinen Cousin [Edimilson Fernandes, 1. FSV Mainz 05] musste ich nicht trösten – ich habe ihm vor dem Spiel geschrieben ‚Viel Glück für das Spiel, come on Eintracht‘. Ich liebe ihn, aber ich liebe die Eintracht auch“, sagt Fernandes und grinst.

In 81 Pflichtspielen trug Fernandes zwischen 2017 und 2020 das Trikot mit dem Adler auf der Brust, anschließend beendete er seine aktive Profikarriere und ist inzwischen als Director Member Associations Africa für die FIFA tätig.

Beim Blick auf den Bildschirm vor ihm wird sein Lächeln noch größer, denn dort laufen die Highlights des DFB-Pokal-Triumphs von 2018. Vor fünf Jahren beim 3:1 gegen den FC Bayern war der defensive Mittelfeldspieler zwar zum Zuschauen gezwungen, nachdem er im Halbfinale die Rote Karte gesehen hatte – dennoch war er natürlich mittendrin.

Gelson Fernandes über …

… das DFB-Pokalfinale 2018: Die Tage in Berlin waren unglaublich, sehr viele Emotionen – einfach großartig. Wir haben von Anfang an gewusst, dass wir dieses Spiel gewinnen werden. Ich war gesperrt, saß draußen und konnte dort aber spüren, was kommen wird. Man konnte es in den Augen der Spieler sehen. Eine Woche vor dem Finale hatten wir schon im Kopf: Wir fahren nach Berlin und werden gewinnen. Wir waren einfach eine geile Truppe. Den Pokal nach so langer Zeit wieder zurück nach Frankfurt zu bringen: Die Mannschaft, der Klub und die ganze Stadt haben das verdient. Der DFB-Pokal gehört zu Eintracht Frankfurt – ein spezieller Klub, ein spezieller Pokalklub.

… das DFB-Pokalhalbfinale gegen den VfB Stuttgart: Eigentlich wollte ich im Stadion dabei sein, allerdings musste ich beruflich nach Afrika. Natürlich habe ich es verfolgt. Evan [Ndicka] und Daichi [Kamada] haben wichtige Tore geschossen – Halbfinale, auswärts. Damals 2018 war es auch auswärts, gegen Schalke.

… sein Gefühl für das Finale gegen Leipzig: Ich arbeite bei der FIFA, da müssen wir eigentlich neutral sein (lacht). Als Privatperson werde ich ein Eintracht-Trikot tragen. Ich werde in Berlin sein, das darf ich nicht verpassen. Meine Frau hat gesagt, dass wir unbedingt da sein müssen, und sie hat absolut Recht.

Wenn du einmal für die Eintracht gespielt hast, bleibst du ein Teil der Eintracht.

Gelson Fernandes

… das defensive Mittelfeld der Eintracht: Djibril [Sow] hat eine sehr gute Entwicklung genommen, er macht es gut. Seppl [Rode] ist Seppl, man muss über ihn nicht viel sagen: unglaublich viel Leidenschaft, guter Fußballer, er reißt seine Mitspieler mit und ist als Integrationsfigur für diesen Verein unglaublich wichtig – er ist unser Kapitän. Die neuen Spieler müssen wir gut integrieren. Ich sage bewusst ‚wir‘, denn wenn du einmal für die Eintracht gespielt hast, bleibst du ein Teil der Eintracht. Dina Ebimbe braucht noch etwas Zeit, das ist aber normal. Er hat eine gute Zukunft vor sich. 

seine Verbindung zur Eintracht: Ich verfolge die Eintracht immer – diese Saison, natürlich auch letztes Jahr mit dem Europapokalsieg. Jetzt war es das erste Mal, dass ich mal wieder live im Stadion dabei sein konnte. Der Klub ist auf dem richtigen Weg und hat ein unglaubliches Potenzial. Dabei darf man auch nicht vergessen, wo der Verein 2016 war. Relegation! Wenn du die Möglichkeit hast, für solch einen Klub zu spielen, dann ist das eine Ehre. Jeder, der dieses Trikot getragen hat, ist stolz darauf, da bin ich mir sicher. Und jeder weiß, was es bedeutet, dieses Trikot mit dem Adler auf der Brust zu tragen.

Der Klub ist auf dem richtigen Weg und hat ein unglaubliches Potenzial.

Gelson Fernandes

seine Aufgabe bei der FIFA: Von den insgesamt 211 Verbänden bei der FIFA bin ich als Director Member Associations Africa verantwortlich für die 54 afrikanischen Verbände und deren Entwicklung. Es gibt unglaublich viel Potenzial und wir müssen noch mehr machen. Zum Beispiel Trainerausbildung, Organisation, strategische Organisation, Infrastruktur, klare Meisterschaften – für Männer wie auch Frauen. Chancen schaffen. Fußball ist für alle. Wir sind auf einem guten Weg, das hat auch Marokkos Halbfinaleinzug bei der letzten Weltmeisterschaft gezeigt. Bei der nächsten WM werden neun afrikanische Teilnehmer dabei sein und unser Ziel ist es – ganz ehrlich – etwas zu gewinnen.