05.05.2020
Interview

„Lernen, mit dem Virus umzugehen“

Persönliche Einschränkungen, freiwillige Mehrkosten, Ärztestab, DFL-Konzept, fünf Auswechslungen, Kadergestaltung: Bruno Hübner im Gespräch.

Bruno, wie geht’s dir und deiner Familie in diesen Tagen?
Wie bei allen Menschen stehen Abstand und Hygiene an erster Stelle. Der persönliche Kontakt zu unseren Söhnen findet ausschließlich über FaceTime statt. Unsere Fußballerfamilie achtet sehr darauf, alle sozialen Kontakte zu vermeiden.

Wie sieht das im Alltag genau aus bei der Eintracht?
Unsere medizinische Abteilung unter der Leitung von Prof. Dr. Pfab macht einen hervorragenden Job. Die Coronapandemie ist ein dynamischer Prozess, in dem Prof. Dr. Pfab und sein Team uns vom ersten Tag bis heute mit Informationen, Aufklärungen und neusten Erkenntnisse unterstützen. Die Auflagen der DFL [Deutsche Fußball Liga; Anm. d. Red.] haben wir durch den ersten Coronafall bei uns demnach schon früh umgesetzt, von Händewaschen, Desinfektionsmaßnahmen und Abstand halten. Die Spieler sollen zudem so wenig soziale Kontakte wie möglich haben. Das unterstützen wir beispielsweise, in dem wir die Spieler und ihre Familienmitglieder, wenn gewünscht, mit Essen versorgen.

Bei der Mannschaft sind die Abstands- und Hygieneregeln also schon früh in Fleisch und Blut übergegangen?
Absolut. Sportler sind von Haus aus sehr diszipliniert. Es war für uns somit keine Überraschung, dass alle Tests bei uns kürzlich negativ waren. Da wir schon früh einen Coronafall in der Mannschaft hatten, haben wir früh mit unserem medizinischen Team reagieren können. Die Mannschaft ist 14 Tage in Quarantäne gegangen und die Familien haben die Spieler entsprechend unterstützt. Auch meine Frau und ich halten uns streng an die Regeln.

Das bedeutet?
Ich persönlich habe seit sechs Wochen nicht mehr eingekauft und wir organisieren unseren täglichen Bedarf anders. Auch im häuslichen Umfeld haben wir die Kontakte auf ein Minimum heruntergefahren und haben bei uns somit auch die Messlatte hochgelegt. Wir sind diszipliniert, das ist richtig und wichtig. Überhaupt muss man sagen, dass wir das in Deutschland richtig gut umsetzen!

Du hast die Auflagen der DFL angesprochen, die entwickelt worden sind, um die Infektionsgefahr so gering wie möglich zu halten. Wie sind diese Maßnahmen bei euch angekommen?
Das Konzept der DFL ist außergewöhnlich gut. DFL-Chef Christian Seifert und Taskforce-Leiter Tim Meyer machen einen hervorragenden Job. Wir sind nur in Kontakt mit Menschen, die sich auch an die Auflagen halten. Ich sehe es an meiner Frau, meinen Söhnen und mir. Ich habe in den vergangenen sechs Wochen nur mit den Menschen soziale Kontakte gehabt, die zu diesem Kreis gehören. Sollte es dennoch einen Fall geben, können wir die Infektionskette genau nachvollziehen. Das DFL-Konzept ist schlüssig.

Im Rahmen der „AUF JETZT“-Kampagne hast du kürzlich die Helios Klinik in Wiesbaden besucht. Welche Eindrücke hast du gewinnen können?
Es ist extrem, wie professionell die Situation hier angegangen wird, wie schnell die Klinik auf das Coronavirus reagiert hat und wie sie sich umgestellt haben, um die Ausweitung der Pandemie so gut wie möglich einzudämmen. Generell haben wir mit der Kampagne eine fantastische Plattform, über die wir gemeinnützige Institutionen in der Region unterstützen können, die aufgrund der aktuellen Coronapandemie vor außerordentlichen Herausforderungen stehen. Die aktuelle Phase beweist, dass sich die Eintracht wie alle Unternehmen und Gesellschaftsbereiche extrem solidarisch zeigt und sich bestmöglich auf den Weg in eine neue Normalität vorbereitet.

Wie läuft das Training aktuell ab?
Wir trainieren in Kleingruppen ohne Zweikämpfe und halten uns streng an die Empfehlungen und Auflagen des zuständigen Gesundheitsamts. Unser Trainerteam versucht dennoch, das Programm so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Die Spieler vermissen die Zweikämpfe, unsere Torhüter hatten dafür noch nie so viele Schüsse auf das Tor wie aktuell. Wichtig ist, dass unser Trainer Adi Hütter in dieser Phase mentale Stärke vermittelt und weitergibt an die Spieler. Denn wir befinden uns in der sechsten Woche der Vorbereitung ohne konkretes Ziel. Auch hier spielt das Thema Disziplin und mentale Stärke wieder eine große Rolle.

Wie viel Zeit benötigt das Team zwischen dem ersten Mannschaftstraining und dem ersten Bundesligaspiel?
Normalerweise sind mindestens 14 Tage wünschenswert. Die Trainer hätten natürlich gerne mehr Zeit. Doch dies liegt nicht in unserer Hand. Aber am Ende herrschen für alle gleiche Bedingungen, und alle Interessen müssen im Rahmen der behördlichen Vorschriften unter einen Hut gebracht werden.

Du hast die Belastung der Spieler angesprochen. Die FIFA erwägt, vorübergehend bis zu fünf Auswechslungen zuzulassen. Wie stehst du dazu?
Aufgrund der verbleibenden Restzeit für die Spiele ist der Ansatz nicht abwegig und somit diskussionswürdig. Die Idee sollten wir weiterverfolgen. Die Gesundheit der Spieler steht im Vordergrund.

Als Sportdirektor bist du Bindeglied zwischen Vorstand und Mannschaft. Wie schwer war es zuletzt, nah an der Mannschaft zu sein?
Man versucht so präsent wie möglich zu sein und das ist unter den gegebenen Umständen nicht ganz einfach. Ferner bin ich mit dem Trainer, der medizinischen Abteilung und dem Teammanagement in einem engen Austausch. Der Trainer hat darüber hinaus auf dem Platz durch das Training in kleinen Gruppen die Möglichkeit, sich intensiver mit den Spielern auseinanderzusetzen und die Einheiten genauer zu beobachten. Unter Einhaltung der Abstandsregeln, das versteht sich von selbst.

Wie sehr bist du auf Mittwoch gespannt, wenn die nächsten Ergebnisse der Bund-Länder-Beratungen verkündet werden und es ein Signal für die Bundesliga geben soll?
Wie alle Fußballbegeisterten bin ich sehr gespannt. Es gibt immer Kritikpunkte, aber die Regierung macht das in dieser Phase richtig gut. Sie werden am Mittwoch die richtige Entscheidung treffen, davon bin ich überzeugt.

Sportvorstand Fredi Bobic erwartet einen neuartigen Transfermarkt, mit stärkeren Verhandlungspositionen für die Vereine. Auf welche Szenarien stellt ihr euch ein? Wie realistisch ist eine Verlängerung der Transferperiode?
Das ist schwer zu sagen zum jetzigen Zeitpunkt. Es gibt zu viele Unsicherheitsfaktoren: Wann spielen wir wieder, wann beginnt die neue Saison? Ich betrachte die Krise immer auch als Chance. Die nächste Transferperiode wird spannend, aber nicht so ausgeprägt. Jeder wird versuchen, den Kader so klein wie möglich zu halten und erst einmal so zu starten. Wir haben ein sehr gutes Fundament, weil wir viele Spieler unter Vertrag haben und somit sind wir bestimmt gut aufgestellt. Wir können damit auf einen gut funktionierenden Kader zurückgreifen. Große Veränderungen wird es nur geben, wenn wir Leistungsträger verlieren. Auch auf ein solches Szenario sind wir eingestellt. Auf der anderen Seite kann vielleicht im Sommer ein Spieler zu uns kommen, bei dem wir früher gesagt hätten, dass er für uns wirtschaftlich nicht realistisch ist. Denn die Transfersummen werden in der nächsten Transferperiode niedriger sein. Die Gesamtsituation ermöglicht oder erfordert daher vielleicht schnelleres Handeln, immer unter der Voraussetzung einer Win-Win-Situation für beide Vereine. Insgesamt ist das alles total spannend, denn gelebte Abläufe werden durcheinandergeworfen, wenn das Transferfenster eventuell an die neue Situation angepasst wird. Ich bin seit fast 40 Jahren in diesem Geschäft und werde vielleicht in diesem Bereich noch eine große Veränderung erleben.

Wie sind die Planungen bei den Leihspielern?
Die Leihspieler, die zu uns zurückkehren, sind natürlich in der Kaderplanung berücksichtigt. Die definitive Entscheidung fällt nach dem Saisonende.