19.03.2020
Training

So nah und doch so fern

Ein erwartungsfroher Blick in die Kabine – „keiner da.“ Paciencia macht sich bereit für sein Individualtraining. Dieses erfolgreich bewältigt stellt er sich vor die virtuelle Fankurve.

Goncalo Paciencia schreitet zielgerichtet auf die Katakomben der Commerzbank-Arena zu. Strahlender Sonnenschein, der Kader fast verletzungsfrei, nochmal vier Tage Vollgas bis zur Länderspielpause. Es wäre alles angerichtet für die Aufholjagd im Rückspiel der UEFA Europa League gegen den FC Basel an diesem Donnerstag.Doch die Realität sieht bekanntlich anders aus, allein der Besuch des Portugiesen bildet eine Ausnahme. Als der Stürmer die Kabine betritt, liegen zwar Trainingsklamotten für jedermann bereit, doch Paciencia bleibt aus Vorsichtsgründen allein. „Keiner da“, murmelt er und zieht einen kurzen Schmollmund, halb zum Spaß, aber eben auch mit ungespielter Wehmut in den Augen. Keine Frage, ohne die Kollegen fehlt weit mehr als Torvorlagen. Teilzeitehepartner Timothy Chandler ganz besonders: „Ein unglaublicher Freund.“ Doch der Iberer ist sich der modernen Kommunikationsmittel bewusst und wendet sich nach Beendigung der von den Fitnesstrainern angefertigten sportlichen Hausaufgaben via Instagram an seine Fans, die das Frage-Antwort-Spiel kaum erwarten können.

Schnitzelfan und Serientäter

Fast naheliegend, nach seinem deutschen Lieblingsessen zu Fragen, denn klar: Das Land zu verlassen, wäre aktuell wenig ratsam, Lebensmittel wiederum bleiben unverändert erhältlich. Also: „Schnitzel“, muss Paciencia nicht lange überlegen. Da ist jemand längst in Frankfurt angekommen. Mehr denn je kommt der Heimarbeiter derzeit auch zum Musikhören, am liebsten Reggaeton, wie er preisgibt und beginnt fröhlich zu singen. Ohnehin glaubt der 25-Jährige an die Kraft der positiven Gedanken und erinnert sich auch knapp ein Jahr später an sein erstes Bundesligator für die Eintracht: der 3:2-Siegtreffer in der sechsten Minute der Nachspielzeit gegen die TSG Hoffenheim. „Ein Moment, zumal so spät im Spiel, den ich nie vergessen werde und der für mich an erster Stelle steht.“ Von immerhin mittlerweile 15 Buden im Eintracht-Dress. Auch neben dem Platz macht die Nummer 39 Fortschritte. „Viel besser. Ich lerne jeden Tag ein bisschen mehr. Englisch klappt zwar besser, aber ich kann die deutsche Sprache verstehen und auch sprechen“, antwortet Paciencia fließend auf die entsprechende Nachfrage hinsichtlich seiner Sprachkenntnisse, die sich freilich auch durch Binge Watching verfeinern lassen. „Ich habe alle Serien auf HBO und Netflix durch“, gibt der 1,84-Meter-Mann zu. Gerade Haus des Geldes und Prison Break hätten es ihm angetan. Letzteres wirkt dieser Tage geradezu passend...Aber zu den wichtigen Dingen des Lebens. „Wann bekommt Hinti seinen eigenen Instagram-Account?“, möchte ein Follower wissen. „Darum werde ich mich kümmern, das ist eines meiner persönlichen Ziele“, zeigt sich Paciencia zuversichtlich und bleibt entspannt, wohlwissend, dass auf dieser Mission durchaus Geduld, was Paciencia übersetzt bedeutet, gefragt sein wird. Nicht nur da.