06.02.2020
Bundesliga

Vernachlässigbare Passkontrolle

Der FC Augsburg gleicht einer Wundertüte: Ein Drittel Ballbesitz, die wenigsten Pässe, diese aber lieber direkt als sicher und vorne ein Volltreffer reichen fürs tabellarische Mittelfeld.

Situation

Der FC Augsburg spielt seit nunmehr neun Jahren ununterbrochen in der Bundesliga. Seit dem Aufstieg in der Saison 2010/11 hätte den Fuggerstädtern wohl niemand einen solchen Werdegang zugetraut. Ein besonderes Highlight war die Saison 2014/15, in der Augsburg am Ende auf Platz fünf stand und im Folgejahr in der UEFA Europa League erst im Sechzehntelfinale am FC Liverpool scheiterte.Trainer Martin Schmidt übernahm den Verein im vergangenen Jahr nach dem 29. Spieltag und konnte das Ziel Klassenerhalt mit Siegen gegen Eintracht Frankfurt und den VfB Stuttgart relativ souverän eintüten. Die aktuelle Saison der Augsburger gleicht bisher einer Achterbahnfahrt. Aktuell steht der FCA mit 26 Punkten auf Rang zehn der Tabelle und damit einen Platz vor der Eintracht. Im Winter haben sich die bayerischen Schwaben mit Eduard Löwen von Hertha BSC Berlin verstärkt. Außerdem haben die bayerischen Schwaben Michael Gregoritsch an Schalke und Linksverteidiger Mads Pedersen nach Zürich verliehen.

Formkurve

Die Augsburger hatten in dieser Spielzeit zunächst mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Von den ersten zehn Spielen konnten die Fuggerstädter einzig ihr Heimspiel gegen Frankfurt gewinnen. Anfang November folgte dann ein Sieg in Paderborn und der Startschuss für furiose Wochen im Schwabenland. Mit Siegen gegen Hertha, Mainz, Hoffenheim, Düsseldorf und einem Unentschieden in Köln holte Augsburg 16 von 18 möglichen Punkten. In der Rückrunde gab es zu Beginn ein turbulentes 3:5 zuhause gegen Dortmund, dem eine 0:2-Niederlage bei Union Berlin folgte. Am vergangenen Spieltag drehten dann Niederlechner und Vargas nach drei Niederlagen am Stück gegen Werder Bremen einen Rückstand in ein 2:1 und damit die ersten Punkte 2020.

Trainer

Die Trainerkarriere von Martin Schmidt begann in der Bundesliga beim 1. FSV Mainz 05. Von 2015 bis 2017 stand er bei den Nullfünfern in 91 Spielen an der Seitenlinie. Danach folgte ein kurzes Engagement beim VfL Wolfsburg. Sechs Monate saß der Schweizer bei den Wölfen auf der Trainerbank. Anfang April 2019 übernahm Schmidt das Amt von Manuel Baum beim FC Augsburg. An die Frankfurter hat er besonders gute Erinnerungen. Sowohl mit Mainz als auch mit Augsburg debütierte der Schweizer gegen die Eintracht und konnte beide Spiele gewinnen.Schmidt ist ein Verfechter des Offensivfußballs, lässt seine Mannschaften meist früh anlaufen, pressen und seine Abwehrkette hochstehen. Hohe Laufintensität und richtiges Stellungsspiel sind die wichtigsten Merkmale seiner Teams. Selbst gegen Spitzenklubs, wie zuletzt beim Heimspiel gegen den BVB, weicht Schmidt kaum von dieser Taktik ab und nimmt das damit erhöhte Risiko in Kauf. 33 eigene Tore nach 20 Bundesligaspieltagen sind ebenso historischer Höchstwert wie 39 kassierte Treffer.

Taktiktafel

Der FC Augsburg agierte in den vergangenen Wochen im 4-4-2-System. In der Innenverteidigung ist Tin Jedvaj neben dem wiedererstarkten Abwehrchef Jeffrey Gouweleeuw gesetzt. Der gegen Bremen erkrankte Stephan Lichtsteiner könnte am Freitag wieder die rechte Abwehrseite besetzten und Felix Uduokhai aus der Startelf verdrängen. Links spielt Philipp Max, der mit sechs Toren und fünf Vorlagen in der Bundesliga der Verteidiger mit den meisten Scorerpunkten ist. Auf der Doppelsechs sind Kapitän Daniel Baier und Rani Khedira in der Rückrunde gesetzt. Auf den beiden Außenbahnen agierten zuletzt Vargas und Richter. Als hängende Spitze spielte André Hahn, der sich aber schwertat. Auch Alfred Finnbogason oder Frederik Jensen ersetzt wären eine Option. Keine Diskussionen gibt es um Toptorschütze Florian Niederlechner.Die Augsburger stehen meist hoch und versuchen, mit frühem Pressing Fehler zu provozieren. Die Spielgestaltung überlassen sie dabei dem Gegner, wie im Schnitt 36 Prozent Ballbesitz, 5761 und davon 75 Prozent angekommene Pässe verdeutlichen – alle drei Parameter sind Ligatiefstwert. Dafür sind Schüsse aus der zweiten Reihe ein probates Mittel. Bereits sieben Distanztore stehen zu Buche. Allein Philipp Max traf drei Mal per direktem Freistoß, so häufig wie kein anderer Akteur im deutschen Oberhaus.

Spieler im Fokus: Florian Niederlechner

Der gebürtige Oberbayer ist für Augsburg ein Volltreffer. Im Sommer wechselte Niederlechner vom SC Freiburg in die Fuggerstadt. Seine Bilanz seitdem: Elf Tore und acht Vorlagen in 20 Spielen. Das macht Niederlechner zum torgefährlichsten Sommerneuzugang der Bundesliga und zugleich vierstärksten Scorer. Nur Werner, Lewandowski und Sancho waren an mehr Toren beteiligt. Eine besondere Glanzstunde erlebte der gelernte Industriekaufmann am 16. Spieltag. Beim 4:2-Sieg des FCA bei der TSG Hoffenheim legte Niederlechner alle vier Tore auf. Der Aufstieg des in Ebersberg geborenen Stürmers liest sich wie eine kleine Märchengeschichte. Begonnen hat der 29-jährige seine Karriere in der Landesliga beim FC Falk Markt Schwaben. In der Bayernliga stürmte er für den FC Ismaning, bevor ihm der Sprung zur SpVgg Unterhaching in die dritte Liga gelang. Im Jahr 2013 wechselte Niederlechner zum 1. FC Heidenheim und stieg mit den Ostwürttembergern als Meister in die zweite Liga auf. Über eine kurze Zwischenstation in Mainz kam der Stürmer dann zum SC Freiburg, mit dem er im Jahr 2016 die Zweitligameisterschaft gewann und im Folgejahr in allen 34 Bundesligapartien der Breisgauer auf dem Feld stand. Beim FC Augsburg spielt Niederlechner nun die wohl konstanteste Saison seiner Karriere, stand als einziger Akteur in jedem Spiel in der Startelf und scheint noch nicht am Ende seines langen Weges angekommen zu sein. Die Eintracht ist seit jeher gewarnt: Gegen die Hessen erzielte der 1,89-Meter-Angreifer drei Tore in sechs Spielen, zuletzt beim 2:1 im Hinspiel. Es soll am Freitagabend die Ausnahme bleiben.Und hier geht's zum Deutsche Bank Finanzcheck.