29.01.2021
Historie

„Vielleicht werde ich noch ein paar Minuten reingeworfen“

Jürgen Mohr verlor 1981 mit der Hertha im DFB-Pokal gegen Frankfurt und wechselte danach zur Eintracht. Ein Gespräch über Irrungen der Vergangenheit, Ambitionen in der Tradi – und Wein.

Hallo Jürgen, danke dass du dir die Zeit nimmst. Lass uns zunächst auf die Partie zwischen der Hertha und der Eintracht am Samstag blicken. Wie beurteilst du die aktuelle Lage beider Vereine?
Ich finde es schade, dass die Hertha gerade eher gegen den Abstieg spielt statt ihrem selbstgesteckten Ziel Europa zu folgen. Meiner Meinung nach fehlen in der aktuellen Mannschaft die nötigen Identifikationsfiguren. Spieler, die diesen Verein und seine Fans lange ausgemacht haben und begeistern können. Mit der Rückkehr von Pál Dárdai haben sie damit einen ersten Schritt zu dieser Identifikation hin gemacht. Allerdings dürfte es insgesamt noch ein langer Weg werden, bis der Wunsch und die Wirklichkeit zusammenpassen. Bei der Eintracht ist es das genaue Gegenteil. Sie sind gerade die Mannschaft der Stunde und machen auf mich einen sehr positiven und motivierten Eindruck. Ich glaube, dass diese Saison und die nächsten Jahre noch vieles möglich sein wird, wenn sie so weitermachen wie bisher. Vielleicht sogar die Champions League.

Du warst während deiner Karriere zuerst bei der Hertha, mit der du 1981 aufgestiegen, aber auch dramatisch im DFB-Pokal gegen die Eintracht unter Trainer Dietrich Weise ausgeschieden bist. Wie hast du das Spiel damals wahrgenommen?
Wir waren damals mit der Hertha ein guter Zweitligist und haben in der Zweiten Bundesliga Nord lange um den Aufstieg mitgespielt. Damals war die Zweite Bundesliga noch zweigleisig und wir haben uns mit Bremen und Braunschweig um den Aufstieg duelliert. Ich glaube, wir halten sogar immer noch den Torrekord mit 129 Treffern. Dann kam die Eintracht im DFB-Pokal Halbfinale 1981 und wir haben als unterlegener Gegner aus dem Unterhaus ein tolles Spiel gegen den Favoriten gemacht. Eigentlich hatten wir es aufgrund unserer Leistung auch verdient, weiterzukommen. Aber am Ende haben sich die Frankfurter durchgesetzt und später den Pokal gewonnen. Wir haben uns mit der Hertha über die Liga wieder Selbstvertrauen geholt und sind am Ende der Saison zurecht aufgestiegen.

Bei deinem späteren Wechsel zur Eintracht warst du einer der ersten Spieler, für die eine Millionenablöse gezahlt wurde. Wie hast du das wahrgenommen?
Ich war mit 24, 25 Jahren noch ein junger Kerl, aber ich habe die hohe Ablöse, die Frankfurt für mich gezahlt hat, auch ein Stück weit als Ansporn gesehen. Damals hatte die Eintracht gerade eine ganz neue, junge Mannschaft aufgebaut und vorher Spieler wie Bernd Nickel oder Cha Bum-kun verkauft. Auf einmal zogen an ihrer Stelle nun Ralf Falkenmayer, Charly Körbel und ich die Fäden im Spiel der Eintracht. Ich wollte zeigen, dass ich das kann. Ich war zwar noch sehr jung, aber auch gut drauf und unter anderem auf dem Sprung in die Olympiaauswahl unter Erich Ribbeck. Leider habe ich mich gleich zu Beginn meiner ersten Saison am dritten Spieltag gegen Leverkusen an den Adduktoren verletzt. Das hat mich neben fast der kompletten Saison auch die Olympiateilnahme gekostet.

Als 1985 klar war, dass ich die Eintracht verlasse, habe ich mir auf dem Feld einfach meine Freiheiten genommen.

Jürgen Mohr

Wie hast du es geschafft, dich trotzdem zu motivieren und nicht aufzugeben?
Es blieb mir ja nichts anderes übrig, ich wollte ja wieder spielen (schmunzelt). Aber ich war auch oft verzweifelt, weil es natürlich frustrierend war, immer Schmerzen zu haben und nie richtig einsteigen zu können. Trotzdem wollte ich unbedingt zurückkommen und habe nie daran gedacht, vorzeitig aufzugeben oder meine Karriere zu beenden. So wollte ich nicht abtreten. Rückblickend war das eine der schwersten Zeiten in meiner Karriere, denn ich musste von Arzt zu Arzt rennen und mich mehreren Operationen unterziehen. Richtig einsteigen konnte ich erst wieder 1984 in der Relegation gegen Duisburg, die wir 5:0 gewonnen haben.

Zu deinen Mitspielern zählten Legenden wie Karl-Heinz Körbel und Ralf Falkenmayer, außerdem Trainer Dietrich Weise. Hast du nach wie vor Kontakt zu deinen ehemaligen Teamkollegen?
Na klar! Ich spreche nach wie vor mit Charly und war unter anderem auch bei der 120-Jahrfeier der Eintracht, als ich viele meiner alten Mitspieler wiedersehen konnte. Außerdem habe ich lange in der Traditionsmannschaft der Eintracht gespielt und bin auch noch in deren WhatsApp-Gruppe, kriege also alle Termine mit. Vor ein paar Jahren hat die Eintracht eine Weihnachtsfeier für die Tradi veranstaltet, bei der Fredi Bobic eine tolle Rede gehalten hat. Das war eine schöne Feier und ich hoffe, dass es das in Zukunft auch nochmal geben wird. Mit Dietrich Weise war es in sportlicher Hinsicht nicht einfach, weil er mich immer auf den rechten Flügel stellen wollte, obwohl ich meine Stärken eigentlich auf der Zehn hätte besser ausspielen können. So betrachtet war ich der Leidtragende dieses Systems mit Libero und Manndecker. Auf Außen standen mir immer die besten Gegenspieler auf den Füßen, weil sie natürlich trotz der Verschiebung mich als Kreativspieler verstärkt gedeckt haben. Als 1985 klar war, dass ich die Eintracht verlasse, habe ich mir auf dem Feld einfach meine Freiheiten genommen (lacht).

Für die Traditionsmannschaft der Eintracht hast du bisher 49 Spiele absolviert. Wann machst du die 50 voll?
Dass weiß ich noch nicht. Momentan habe ich wenige Ambitionen, nochmal zu kicken. Ich bin mittlerweile 62, hatte im vergangenen Sommer meinen zweiten Herzinfarkt und muss auch nicht mehr alles mitmachen. Aber vielleicht habe ich in Zukunft nochmal Lust darauf und werde mal für ein paar Minuten ins Spiel geworfen (lacht).

Ich hatte nie wirklich Ambitionen, als Trainer zu arbeiten.

Jürgen Mohr

Was viele nicht wissen: Du bist seit 1996 selbständiger Handelsvertreter für Weine. Wie kam es dazu, dass du jetzt Wein verkaufst, statt wie viele deiner ehemaligen Mitspieler im Fußball zu bleiben?
Ich habe nach der Karriere auch meinen A-Schein als Trainer gemacht, unter anderem in einer Klasse mit Toni Schumacher [Anm. d. Red.: früherer deutscher Nationaltorhüter] und Armin Veh. Aber ich hatte nie wirklich Ambitionen, als Trainer zu arbeiten, habe mal ein paar Jahre in der ersten Liga in Luxemburg und danach in der Bezirksliga in Deutschland trainiert. Aber schon während des Ausklangs meiner Karriere hatte ich durch Zufall einen Bekannten, der in der Weindistribution tätig war und mich gefragt hat, ob ich mir nicht auch vorstellen könnte, das mal zu probieren. Nachdem er mir erklärt hatte, wie alles funktioniert, habe ich das angefangen und mache es bis heute sehr gerne.

Lieber Rot- oder Weißwein?
Ich habe da keine Präferenz, mir schmeckt beides (lacht).

Abschließend: Wie geht´s am Samstag aus?
Die Eintracht wird gewinnen, denn sie ist insgesamt die bessere Mannschaft und momentan auch besser drauf. Bei der Hertha müssen sie gerade erst einmal andere Baustellen in den Griff bekommen.