03.02.2021
Bundesliga

Völlig unberechenbar

Die TSG Hoffenheim bleibt nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Ausfälle bisweilen unter ihren spielerischen Möglichkeiten. Für Überraschungen sind die Kraichgauer dennoch jederzeit gut.

Situation: Teils gefährdet, teils gefährlich

Mit 22 Punkten nach 19 Spielen und Tabellenplatz zwölf liegt die TSG Hoffenheim zu Beginn der Rückrunde noch hinter den eigenen gesteckten Erwartungen zurück. Die Gründe für die zarte Punktausbeute sind schnell gefunden: Über Zeiträume von mehreren Wochen hinweg musste Trainer Sebastian Hoeneß aufgrund positiver COVID-19-Befunde und zusätzlicher Verletzungen zahlreiche Ausfälle von Leistungsträgern kompensieren. Unter anderem fehlte Topscorer Andrej Kramaric vom vierten bis zum siebten Spieltag – aus den besagten vier Partien ohne den Torjäger holten die Kraichgauer lediglich einen Punkt. Stehen der Kroate und andere Stammspieler Coach Hoeneß aber nahezu vollzählig zur Verfügung, sind die Hoffenheimer meist unberechenbar.

TSG Hoffenheim 2020/21
Kompakt6 Siege, 4 Unentschieden, 9 Niederlagen, 29:34 Tore, 22 Punkte, Tabellenplatz 12
FormkurveN-U-S-S-N
TorschützenKramaric (13), Baumgartner (3), Bebou (3), Dabbur (2), Grillitsch (2), Sessegnon (2), Adamyan (1), Bicakcic (1), Geiger (1), Rudy (1)

Exemplarisch dafür war der zweite Spieltag, an dem die TSG den FC Bayern München nach 32 ungeschlagenen Pflichtspielen in Folge mit 4:1 besiegt hatte. Lange Zeit folgte kein Sieg im Oberhaus, ehe die Badener den FC Augsburg am zehnten Spieltag mit 3:1 schlagen konnten. Vor der kurzen Weihnachts- und Neujahrspause feierte die Elf von Sebastian Hoeneß einen 2:1-Auswärtserfolg bei Borussia Mönchengladbach, gefolgt vom Pokalaus in Fürth nach Elfmeterschießen. Zum Start ins Fußballjahr 2021 musste die TSG zwei Niederlagen gegen den SC Freiburg (1:3) und bei Schalke 04 (0:4) und ein 0:0 gegen Arminia Bielefeld hinnehmen. Auf die anschließenden zwei 3:0-Erfolge gegen Hertha BSC und den 1. FC Köln folgte am vergangenen Spieltag eine 1:4-Pleite beim FC Bayern. Dennoch warnt Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner vor dem kommenden Gegner: „Wir dürfen uns von der Tabellensituation nicht täuschen lassen. Das ist eine richtig gute Mannschaft, die in dieser Saison gebeutelt war, was Verletzungen und Corona angeht. Jetzt läuft es etwas besser, zuvor mussten sie häufig improvisieren. Gegen die Bayern haben sie richtig gut gespielt und hätten 2:0 in Führung gehen und punkten können.“

Trainer: Große Fußstapfen, eigene Fußspuren

Sein Name ist allseits bekannt, mit seinem ersten Trainerjob im deutschen Oberhaus möchte Sebastian Hoeneß seine eigenen Fußspuren hinterlassen. Sein früherer Mentor Ralf Rangnick, der ihn 2014 nach Leipzig lockte, betonte, Hoeneß wolle „als Sebastian wahrgenommen werden.“ Als Sohn von Dieter und Neffe von Uli Hoeneß wurde dem 38-Jährigen die Leidenschaft für den Fußball quasi in die Wiege gelegt, eine große Profikarriere bleib ihm allerdings verwehrt. Für die TSG Hoffenheim und die zweite Mannschaft von Hertha BSC kam der ehemalige offensive Mittelfeldakteur in der Regional- und Oberliga zum Einsatz. Im Sommer 2010 beendete Hoeneß seine aktive Laufbahn im Alter von 28 Jahren und schlug einen neuen Weg als Fußballlehrer ein.

Möchte seine Erfolge aus dem Nachwuchsbereich in der Bundesliga bestätigen: Sebastian Hoeneß.

Über Stationen als Jugendtrainer in Zehlendorf und Leipzig gelangte der gebürtige Münchener zum FC Bayern, bei dem er erst die A-Jugend und in der Saison 2019/20 die in die Dritte Liga aufgestiegene U23 coachte, mit der er die Meisterschaft gewann. Seit Sommer 2020 ist Hoeneß zurück im Kraichgau, wo er zwischen 2006 und 2007 bereits als Profi in der Regionalliga unter Vertrag gestanden hatte. Zu Beginn der Saison meinte der Newcomer, die Philosophie der Sinsheimer sei identisch mit seinem Spielstil, der sich durch folgende Attribute auszeichnet: „Offensiv, mutig, flexibel und immer aktiv“. Auch wenn die bisherigen Ergebnisse nicht ständig zufriedenstellend waren, behält Hoeneß dank seiner Sachlichkeit stets einen klaren Kopf.

Taktiktafel: Variables Muster, fixer Zielspieler

Hoffenheims Lebensversicherung: Andrej Kramaric.

Über weite Strecken der Saison zeigte sich Hoeneß taktisch variabel, ließ seine Mannschaft entweder in einem 3-4-1-2, 3-4-3 oder 4-1-3-2-System auflaufen. Zuletzt vertraute der Chefcoach auf eine von Stefan Posch, Havard Nordtveit und Kasim Adams gebildete Dreierkette. In der Defensive plagen die Sinsheimer große Verletzungssorgen. Kevin Vogt könnte allerdings nach überstandener Schulterverletzung in die Startelf zurückkehren. Im Mittelfeld setzte Hoeneß in den vergangenen Partien auf Beständigkeit und schickte Christoph Baumgartner, Diadié Samassékou, Sebastian Rudy, den ehemaligen Adlerträger Mijat Gacinovic und den jungen Marco John auf den Rasen. Dass der 18-Jährige unter dem TSG-Trainer zum Stammspieler reift, spricht für Hoeneß’ langjährige Erfahrung als Nachwuchsförderer, die er sowohl in Leipzig als auch bei den Bayern sammeln konnte.

Chris Richards kam auf Leihbasis vom FC Bayern.

Und von der ebenso die Wintertransfers der TSG zeugen: Hoeneß und seine Mannschaft setzen auf die Jugend. Mit dem 18-jährigen Angreifer Georginio Rutter und dem 20-jährigen Verteidiger Chris Richards angelten sich die Blau-Weißen zwei weitere Talente. Gerade der aus Rennes gekommene Rutter muss nicht als Soforthilfe dienen. Denn im Sturm können sich die Kraichgauer auf Andrej Kramaric verlassen, der nach überstandener COVID-19-Infektion erst nach seiner Form suchte, zuletzt aber wieder zuverlässig traf (fünf Tore in drei Partien). Der Kroate gilt als Fixpunkt der TSG-Offensive. Mit 13 Treffern erzielte er fast die Hälfte der 29 Hoffenheimer Saisontore und verwandelte darunter fünf von fünf Strafstößen.

Spieler im Fokus: Mijat Gacinovic

Festzumachen wäre die angesprochene Variabilität etwa an Mijat Gacinovic. Immerhin hat sich der gelernte zentrale Mittelfeldmann in den vergangenen Wochen ausgerechnet einen Stammplatz erkämpft, seit er die rechte Außenbahn beackert. Ein alter Bekannter auf ungewohnten Terrain sozusagen. Der ehemalige Adlerträger und Pokalheld von 2018 steht seit Beginn der laufenden Saison bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag. Nach anfänglicher Findungsphase mit einem Startelfeinsatz bei elf Einwechslungen und zwei Partien ohne Einsatz stand der 25-Jährige in den jüngsten fünf Partien immer von Beginn an auf dem Rasen. „Mijat wird immer mehr zur Verstärkung für Hoffenheim. Er ist ein ganz feiner Mensch und hat sich gut entwickelt“, verfolgt auch Bruno Hübner die Entwicklung seiner einstigen Entdeckung.

Mijat Gacinovic hat seinen Platz im Mittelfeld der TSG gefunden.

Die Eintracht verpflichtete Gacinovic im Sommer 2015, anschließend lief er in 157 Pflichtspielen als Adlerträger auf, erzielte zehn Tore und bereitete 18 weitere vor. Unvergessen bleibt dabei sein Sololauf, den er mit dem entscheidenden 3:1 im Endspiel des DFB-Pokals 2018 gegen die Bayern krönte. Im Dress der Kraichgauer wartet der quirlige wie laufstarke Gacinovic noch auf seinen Debüttreffer. Sollte ihm dieser ausgerechnet gegen die Eintracht gelingen, muss das mit einem nicht ganz ernst gemeinten Blick auf die Statistik nicht unbedingt ein schlechtes Omen sei. Wenn Gacinovic traf, hat die Eintracht nie verloren, gewann acht Mal und spielte zwei Mal remis. Dass es aber auch dieses eigenwillige Szenario funktionieren kann, haben die Adlerträger beim ersten Wiedersehen in der Hinrunde bewiesen. Zu feiern wird der Serbe in jedem Fall etwas haben, wird er am Montag 26 Jahre alt. Geschenke von den alten Kollegen sind gleichwohl nicht zu erwarten.

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