12.05.2020
Historie

Vom Waldstadion zum Deutsche Bank Park – Teil 2

Der zweite von drei Teilen widmet sich der Nachkriegszeit bis hin zum Umbau vor der WM 2006.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die amerikanische Besatzungsmacht das gesamte Areal im Stadtwald, benannte es um in „Victory Park“ und ließ nur selten Sportveranstaltungen zu. Das erste Großereignis war am 13. Juli 1946 der „Tag der Eintracht“, an dem rund 40.000 Besucher Interesse an einem bunten Programm zeigten. Ein Jahr später feierte Max Schmeling 20 Jahre nach seinem ersten Kampf in Frankfurt sein erfolgreiches Comeback mit einem K.o.-Sieg gegen Werner Vollmer. Ansonsten wurde das Areal wenig gepflegt, ehe die Radrennbahn, die Tennisanlagen und die Wintersporthalle im Jahr des Deutschen Turnfestes 1948 zurückgegeben wurden. Am 7. Juni 1950 zog sich die Siegermacht komplett zurück, Frankfurt hatte seinen Sportpark namens Waldstadion wieder. Und das wurde rasch zu klein! Das Gartenamt plante 1953 eine deutliche Erweiterung, nachdem am 17. Mai beim Spiel der Eintracht gegen den 1. FC Kaiserslautern fast 70.000 Karten für die Arena mit ihren 55.000 Plätzen verkauft worden waren. Rund 200 verletzte Stadionbesucher waren die Folge, als die Menschenmassen versuchten, sich einen Platz zu ergattern.

Zuschauerrekord: 81.000 gegen Pirmasens

Das neue Stadion sollte laut Plan Platz für 87.200 Zuschauer bieten, davon 16.000 Sitzplätze und 71.200 Stehplätze. Am 14. Mai 1955 wurde das zweitgrößte Stadion Deutschlands mit einem großen Programm eingeweiht. Nur das Berliner Olympiastadion hatte noch mehr Plätze. Die ersten herausragenden sportlichen Ereignisse waren unter anderem die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften 1955, Fußballländerspiele gegen die Schweiz und Spanien sowie die Teilnahme der Eintracht an der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft 1959. Auf dem Weg ins Finale wurde am 23. Mai gegen den FK Pirmasens mit 81.000 Zuschauern ein noch immer gültiger Zuschauerrekord aufgestellt. Kleiner Funfact am Rande: Am 13. Mai feiert Eckehard Feigenspan seinen 85. Geburtstag, er erzielte damals beim 3:2-Erfolg das erste Tor der Adlerträger. Ein Jahr später erhielt das Waldstadion die modernste Flutlichtanlage Deutschlands, die tolle Europapokalbegegnungen ins rechte Licht rückte. Der BSC Young Boys, der Wiener SC und dann das unvergessene Halbfinalspiel gegen die Glasgow Rangers (6:1) vor 77.000 Zuschauern hießen die Stationen bis zum großen Finale gegen Real Madrid, in dem sich das weiße Ballett mit 7:3 durchsetzen konnten.

Seit 1960 war es dann möglich, im Innern der Radrennbahn auch Eiszulaufen. Zur Verfügung standen zwei miteinander verbundene Eisflächen von je 60 mal 30 Metern, die auch dem Breitensport dienten. Auf einer Eisfläche trugen die Eishockeyspieler der Eintracht mit einer kurzen Unterbrechung (15 Monate in der seinerzeit neuen und im Rhein-Main-Gebiet einzigartigen Eishalle in Rödermark um 1980) bis 1981 ihre Punktspiele aus. Einmal gelang in dieser Zeit der Aufstieg in die Bundesliga, im Jahr 1969. Begonnen hatte das eisige Vergnügen unter Wettkampfbedingungen am 10. Dezember 1960 mit dem Eröffnungsspiel gegen die SG Nürnberg vor 10.000 Zuschauern. Im selben Jahr entstand nach dem Abriss des Waldtheaters an der Stelle ein Hockeyplatz, der 1996 zur Golf-Übungsanlage wurde und heute als TV-Compound genutzt wird. 1963, zum Start der Bundesliga, zog die Eintracht für ihre Heimspiele ins Waldstadion um, am heimischen Riederwald wurde nur noch trainiert. Zum Bundesligastart gab es am 24. August ein 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern, Eintrachts erster Torschütze Lothar Schämer, gestorben 2017, wäre am 28. April 80 Jahre alt geworden. Alle Spiele wurden seinerzeit übrigens zeitgleich am Samstag um 15.30 Uhr angepfiffen.

Insgesamt erwies sich das Stadion jedoch meistens als etwas überdimensioniert. Selbst zum sportlichen Höhepunkt, dem Boxkampf um die Schwergewichts-WM zwischen Muhammad Ali und Karl Mildenberger am 10. September 1966, den der Amerikaner nach Abbruch in der zwölften Runde gewann, waren nur 22.000 Zuschauer gekommen, was aber auch mit der damaligen Preispolitik zu tun gehabt haben könnte. Wenige Wochen zuvor erlebte nebenan die Radrennbahn ihr größtes sportliches Highlight: die Weltmeisterschaften.

„Wasserschlacht von Frankfurt“

Der zweite große Umbau des Waldstadions wurde zur Fußballweltmeisterschaft 1974 erforderlich. Damit einher ging gleichzeitig eine Verkleinerung auf rund 60.000 Plätze. Von Mai 1972 bis Januar 1974 wurde das Stadion praktisch neugebaut, um den Anforderungen der WM-Spielorte hinsichtlich Komfort und Sicherheit gerecht zu werden. Am 13. Juni 1974 fand im Waldstadion die WM-Eröffnungsfeier statt, außerdem wurden hier fünf Gruppenspiele ausgetragen. Darunter die berühmte Wasserschlacht gegen Polen, als die deutsche Mannschaft im entscheidenden Spiel in der zweiten Finalrunde den östlichen Nachbarn auf dem kaum bespielbaren Platz mit 1:0 besiegte, ins Finale einzog und in München gegen die Niederlande Weltmeister wurde. In beiden Partien in der Startelf: Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein, wobei Letzterer jeweils einen Elfmeter für Deutschland durch ein Foul seines Gegenspielers erwirkte. Bei der Wasserschlacht gegen Polen verschoss jedoch Uli Hoeneß. Die offensichtlich notwendige Drainage und eine Rasenheizung folgten 1978.

Die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften 1976 sowie die Spiele im UEFA-Pokal in der Saison 1979/80 bedeuteten weitere Highlights dieser Zeit. Unvergessen, als die Eintracht in eben jener Spielzeit den Europacup nach dem Finalerfolg gegen Mönchengladbach an den Main holte – es war übrigens der bislang einzige große Titel, den die Eintracht im heimischen Stadion sicherte. Nach dem 2:3 im Hinspiel reichte dank der Auswärtstorregelung ein 1:0 zu Hause durch Fred Schaubs Treffer aus dem Gewühl.

Danach wechselte sich der Fußball mit anderen Sportarten, aber auch Popkonzerten ab. Das Deutsche Turnfest brachte 1983 zehntausende Sportler an den Main, 1987 wurde der Evangelische Kirchentag zum großen Magneten. Ein Jahr später sorgte sowohl die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften als auch die Fußballeuropameisterschaft für Furore. Für die Kontinentalkämpfe wurden eigens eine moderne Videoanzeigentafel installiert sowie erste VIP-Räume erbaut.

Darüber hinaus entwickelten sich die großen Freiluftkonzerte zu neuen Einnahmequellen. Beispielsweise heizten Supertramp 1983, Bruce Springsteen 1985 und 1988, Madonna 1987, Prince 1988, jeweils 1990 die Rolling Stones und Tina Turner den Musikfreunden ebenso ein wie später Marius Müller-Westernhagen, die Dire Straits, Bon Jovi und Michael Jackson, um nur einige zu nennen. Es waren große Jahre für die Sportstätte, die sich bereits in Richtung Multifunktionsarena entwickelt hatte. Der Fußball brachte derweil allenfalls zu den Topspielen das Stadion an seine Kapazitätsgrenze. Heute kaum vorstellbar: In keiner Spielzeit der 1980er Jahre lag der Zuschauerschnitt von Eintracht Frankfurt über 25.000, fast 20 Jahre war laut transfermarkt.de keine einzige Bundesligapartie ausverkauft. Als Blau-Weiß 90 Berlin in sportlich tristen Eintracht-Zeiten 1987 seinen einzigen Bundesligaauswärtssieg der Geschichte feierte, kamen gerade mal 8000 Menschen. Zum Vergleich: In der bis dato letzten Zweitligasaison 2011/12 waren im Schnitt rund 37.000 Zuschauer bei den Heimspielen gegen zum Teil kaum klangvollere Namen zugegen.

1991 fasste mit Frankfurt Galaxy erstmals ein American-Football-Team für 16 Jahre unübersehbar Fuß im Stadion. Da konnten die Greenkeeper noch so gut arbeiten, bei den Eintracht-Heimspielen waren auch die Kreidelinien der anderen Sportart deutlich zu sehen. Mit dem richtigen Fußball ging es dagegen nach einem Zwischenhoch Anfang der 1990er Jahre mehrfach bergab. Die Eintracht stieg 1996 und 2001 für jeweils zwei Jahre sowie 2004 für ein Jahr jeweils aus der Bundesliga ab. Da mussten dann auch schon mal die Fußballerinnen in die Bresche springen. Am 23. Mai 2002 fand im Waldstadion das erste Endspiel um den neu geschaffenen Europapokal der Frauen statt, welches der 1. FFC Frankfurt gegen den schwedischen Verein Umeå IK mit 2:0 gewann. Immerhin waren bei dieser Partie mehr Zuschauer im Stadion als 1987 gegen Blau-Weiß 90 Berlin. Das war es dann auch für das traditionsreiche Waldstadion. Für die Weltmeisterschaft der Männer 2006 sollte es in eine reine Fußballarena umgebaut werden. Am 17. Juni 2002 begannen die Arbeiten mit dem symbolischen Baggerbiss. Das Stadion wurde zur Baustelle und Eintracht-Trainer Willi Reimann zum „Container-Willi“. Aber dazu mehr in Teil drei.