16.04.2020
Interview

„Wichtig, die positiven Aspekte zu sehen“

Lucas Torró betrachtet seine Zeit in Frankfurt, erklärt seine Meinung über Spiele ohne Zuschauer und bewertet die Konkurrenzsituation.

Lucas Torró über...

…die speziellen Trainingsumstände: Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, die positiven Aspekte zu sehen. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir überhaupt trainieren dürfen. Natürlich ist es nicht wie sonst, wir können nicht in großen Gruppen miteinander arbeiten. In anderen Ländern ist das Training aber komplett eingestellt und deshalb sind wir froh, dass wir die Möglichkeit haben, ins Stadion zu kommen und unsere Übungen zu machen. Zudem können wir wenigstens ein paar Mannschaftskollegen sehen, das sollte man wertschätzen. Keiner weiß, wann der Zeitpunkt kommen wird, ab dem wir wieder zusammen trainieren können. In erster Linie müssen wir uns an die Vorschriften halten, dann werden wir sehen, wann wir wieder normalere Trainingsformen absolvieren können.…fehlende Zweikämpfe: Für mich als Mittelfeldspieler ist das natürlich gewöhnungsbedürftig, da ich sozusagen in der Kampfzone beheimatet bin. In kleinen Gruppen ist es aber nicht möglich, Zweikämpfe zu führen, weshalb wir mit anderen Übungen vorliebnehmen müssen. Man hat genug Möglichkeiten, um den Körper zu trainieren. Die Mittelfeldschlachten kommen früh genug zurück, dann können wir uns auch alle wieder austoben.  …den Konkurrenzkampf im Team: Man versucht immer, im Training Leistung zu zeigen und sich stetig zu verbessern – egal unter welchen Umständen. Aktuell sind die Bedingungen aber ganz anders, der Fokus liegt vor allem auf Abschlüssen. Wir sind gar nicht zu 100 Prozent in der Lage, um Stammplätze zu kämpfen. Wir nehmen das Training so an, wie es momentan ist. Für mich war es zu keinem Zeitpunkt ein Thema, den Verein für mehr Spielzeit zu verlassen. Ich habe es mir immer als Ziel gesetzt, mich hier bei der Eintracht durchzusetzen. Ich weiß, dass ich geduldig sein muss, aber mein Moment wird kommen. Ich konzentriere mich auf meine Leistung und versuche, meine Einsatzzeiten zu nutzen.…seine Fitness: Ich war schon vor der Zwangspause wieder gut drauf. Durch die Umstände wurde aber die ganze Mannschaft zurückgeworfen und jeder Einzelne muss wieder zu seiner Form finden. Das ist nicht einfach, aber wir arbeiten alle daran. Ich persönlich fühle mich sogar besser als zum Saisonstart. Ich habe die Zeit genutzt, um auch physisch gut vorbereitet zu sein. Daher ist meine Lust groß, möglichst bald wieder meine Leistung auf dem Platz zu zeigen.  …persönliche Umstände: Leider habe ich meine Familie seit Monaten nicht mehr gesehen. Ich versuche, das Beste aus der Situation zu machen und mich auf mein Training zu konzentrieren, um die Saison so gut wie möglich zu Ende führen zu können. Ich werde die Zeit überstehen und freue mich auf die restlichen Spiele. Nach der Saison kann ich wieder zu meiner Familie reisen und mich dort ausruhen. Dann ist das alles hoffentlich überstanden. Außerdem freue ich mich auch darauf, mit den Jungs aus der Mannschaft essen zu gehen, sobald das wieder möglich ist. …die Situation in Spanien: Informationen zur aktuellen Lage vor Ort kann ich immer aus erster Hand beziehen. Meine Schwester arbeitet in Spanien als Krankenschwester und kann daher vom Alltag viel berichten. Während wir in Deutschland noch spazieren gehen oder Sport machen können, ist das dort nicht möglich. Ich habe aber zu keiner Zeit mit dem Gedanken gespielt, meine Eltern nach Deutschland zu holen, denn sie sind über 70 Jahre alt und gehören damit zur Risikogruppe. Sie sind wenigstens zusammen und bleiben zum Glück zu Hause. Ich habe sieben Geschwister, von daher ist immer jemand da, der ihnen Essen vorbeibringt oder Besorgungen erledigt. Vor allem in der vergangenen Woche war die Situation in Spanien dramatisch, viele Krankenhäuser waren überlastet. Mittlerweile hat sich die Lage zum Glück leicht entspannt, aber es ist natürlich noch nicht überstanden. Wir hoffen einfach, dass das Land die Pandemie möglichst bald wieder in den Griff bekommt und einigermaßen Normalität einkehrt.

„Hoffnung, dass dadurch eine bessere Welt entsteht“

…die COVID-19-Thematik: Die Situation ist so extrem, dass niemand sie so schnell vergessen wird. Sie wird uns verändern und das ist vielleicht auch gar nicht so schlimm. In Spanien sind die Menschen beispielsweise gezwungen, zu Hause zu bleiben. Das gibt ihnen Zeit, um über einige Dinge nachzudenken. Daher ist das vielleicht eine Chance, um sich für die Zukunft besser aufzustellen und aus dieser Krise stärker hervorzugehen. Ich habe die Hoffnung, dass dadurch eine bessere Welt entsteht, in der Werte wie Zusammenhalt eine größere Bedeutung erhalten.…soziales Engagement: Wir als Mannschaft haben damit angefangen, einem Gehaltsverzicht zuzusagen. Das ist allerdings nicht das einzige, das wir uns vorgenommen haben. Wir wollen die Menschen unterstützen, wo wir nur können. Das Wichtigste ist, dass wir an einem Strang ziehen, denn wir sitzen alle im selben Boot. Es ist selbstverständlich, dass wir uns in so einer schwierigen Situation für verschiedene Institutionen starkmachen und so versuchen, das Leid vieler Menschen zu lindern.…die Sehnsucht nach Fußballspielen: Es ist klar, dass wir alle wieder spielen wollen. Wenn es nach uns ginge, dann würde das schnellstmöglich passieren. Trotzdem steht die Gesundheit der Menschen an erster Stelle. Wenn man an die vielen Todesfälle auf der Welt denkt, dann macht es wenig Sinn, über Fußball zu sprechen. Sobald die Situation einigermaßen unter Kontrolle ist, kann man darüber reden, den Spielbetrieb fortzusetzen. Das wünschen wir uns alle, auch wenn die Fans für eine Weile nicht mit im Stadion sein werden. Momentan ist in erster Linie Geduld gefragt. Es ist nicht verboten, im Hintergrund eine Fortsetzung zu planen. Wir machen auch unseren Job und trainieren. Der Ball wird wieder rollen, aber alles zu seiner Zeit....Spiele ohne Zuschauer: Natürlich spielen wir alle am liebsten vor Publikum. Die Saison kann aber nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgeführt werden, das müssen wir akzeptieren. Wir werden versuchen, unserem Job trotz der Umstände bestmöglich nachzugehen und möglichst viele Punkte zu holen. Wer unser Stadion und unsere Fans kennt, weiß, dass wir viele Punkte durch ihre Unterstützung geholt haben. Diese Unterstützung wird uns enorm fehlen, aber wir müssen uns damit abfinden.…die Saison: Es stehen noch viele Spiele an und es werden vermutlich auch einige Englische Wochen auf uns zukommen. Wenn wir eine gute Dynamik reinbekommen, dann ist vieles vorstellbar. Ich denke, dass die Saison durch die Umstände deutlich ausgeglichener sein wird. Es wäre schön, wenn wir mit Erfolgserlebnissen starten und viele Siege einfahren könnten, sodass wir am Ende in der Tabelle möglichst weit oben stehen. Die gesamte Mannschaft wird gefordert sein und jeder weiß, dass er gebraucht wird.…seine bisherige Zeit bei der Eintracht: Es gab viele Höhen und Tiefen. Der Start war sehr vielversprechend, ich habe viele Einsatzzeiten bekommen. Leider habe ich mich relativ früh verletzt und war dann einige Monate außen vor. Gerade im ersten Jahr muss man sich als ausländischer Spieler erst einmal an eine neue Liga gewöhnen. Die Bundesliga hat ein hohes Niveau und auch das Training ist extrem intensiv. Die Spiele sind sehr umkämpft, dadurch steigt auch das Risiko einer Verletzung, vor allem wenn man das in dieser Form nicht gewohnt ist. Vielen Spielern bleibt das leider nicht erspart, aber auch da muss man positiv bleiben und daraus lernen. Zum Ende der vergangenen Saison bin ich noch zu ein paar Einsätzen gekommen und habe auch zu Beginn der aktuellen Spielzeit einige Male auf dem Platz gestanden. Dann kam im Dezember die nächste Verletzung. Ich habe mich wieder hochgekämpft und das Gefühl, physisch noch besser drauf zu sein, als bei meiner Ankunft. Ich habe den unbedingten Willen, noch einmal durchzustarten. Es stehen uns noch viele Spiele bevor. Ich möchte meine Leistung zeigen und habe das Vertrauen, dass es mir gelingen kann. Jeder kann sich in dieser Situation Hoffnungen machen, wieder eine Chance zu bekommen....seine Eigenmotivation: Es ist wichtig, dass man immer wieder aufsteht. In solchen Momenten ist die Bereitschaft sehr groß, einen neuen Anlauf zu nehmen, auch wenn man erst einmal zurückgeworfen wird. Man will nichts dem Zufall überlassen und trainiert mit der Disziplin und der Genauigkeit, die man braucht. Ich habe alles investiert, um nach meiner Verletzung möglichst schnell und noch stärker zurückzukommen. Man darf sich nicht unterkriegen lassen und muss an sich arbeiten, um wieder fit zu werden. Nach meiner Knieverletzung wurde mit einer dreimonatigen Ausfallzeit gerechnet, ich war nach zwei Monaten wieder fit. Dann kam Corona und in dieser Hinsicht ist das für mich natürlich noch bitterer. Man muss die Situation aber akzeptieren. Ich hoffe, dass ich den Schwung trotzdem mitnehmen kann.