09.04.2021
Historie

„Wir sind auf einer Euphoriewelle gesurft“

Sebastian Jung spricht über die furiose Europa-League-Reise als Adlerträger, besondere Herausforderungen in Wolfsburg und verrät, wem er am Samstag die Daumen drückt.

Sebastian, am Samstag treffen mit der Eintracht und dem VfL Wolfsburg zwei deiner ehemaligen Teams aufeinander. Dabei kommt es zum Duell Vierter gegen Dritter. Hand aufs Herz: Hättest du das im Vorfeld der Saison für möglich gehalten?
Erwartet habe ich das ehrlich gesagt nicht. Man sieht natürlich die Entwicklung über die vergangenen Jahre. Gerade in Frankfurt ist wirklich etwas Großes entstanden. Aber auch Wolfsburg hat sich in den vergangenen beiden Jahren wieder gefangen. Dass beide Mannschaften nun auf einem Champions-League-Platz stehen, ist dann doch überraschend. Die Europa League habe ich beiden Teams vor der Saison definitiv zugetraut. Umso schöner ist es, dass sie meine Erwartungen sogar übertroffen haben. Aufgrund der bisherigen Saison haben es sich beide Mannschaften komplett verdient, so weit oben zu stehen.

Auch heute noch in Kontakt: Sebastian Jung und Sebastian Rode.

Mit Kevin Trapp und Sebastian Rode hast du selbst noch bei der SGE gespielt. Wie verfolgst du den Werdegang unserer beiden Adlerträger?
Ich versuche, so viele Spiele wie möglich von der Eintracht zu sehen, ohne dabei aber nur auf meine beiden ehemaligen Teamkameraden zu schauen. So wie ich früher als kleiner Junge ins Stadion gegangen bin, schaue ich mir nun die Spiele als Fan im TV an. Dass die beiden eine hohe Qualität haben, zeigen auch die Karrierestationen bei absoluten Topklubs wie dem FC Bayern und Dortmund bei Seppl sowie PSG bei Kevin. Der Kontakt ist zwangsläufig über die Zeit etwas weniger geworden. Wenn man sich dann allerdings mal sieht, fühlt es sich sofort wie früher an und man schwelgt gemeinsam in Erinnerungen.

Sebastian Jung im Duell mit dem FC Porto in der Europa-League-Zwischenrunde, als die Eintracht denkbar knapp ausschied.

Eine solche Erinnerung sind sicherlich die Spiele in der Europa League in der Saison 2013/14…
Die internationalen Spiele waren zum damaligen Zeitpunkt ein absolutes Highlight. Wir hatten uns ja direkt nach dem Wiederaufstieg für die Europa League qualifiziert und sind auf einer Euphoriewelle gesurft, getragen vor allem von den Fans, die jedes Auswärtsspiel gefühlt zu einem Heimspiel gemacht haben. Schade, dass diese Reise dann durch das unglaublich knappe Ausscheiden gegen Porto vorbei war. Aufgrund der Auswärtstorregelung nach einem 2:2 in Porto und einem 3:3 zu Hause die Segel streichen zu müssen, war zunächst schon hart. In Erinnerung bleiben aber definitiv die unglaublichen Heim- wie auch Auswärtsspiele, bei denen die Mannschaft und unsere Fans die Eintracht international hervorragend vertreten haben.

Deine starken Leistungen blieben auch bei Bundestrainer Joachim Löw nicht unbemerkt. Im Mai 2014 durftest du dein Debüt für die Nationalmannschaft im Testspiel gegen Polen [0:0; Anm. d. Red.] feiern. Wie kam es damals zur Kontaktaufnahme?
Der damalige Co-Trainer Hansi Flick hatte mich angerufen und zur Nationalmannschaft eingeladen. Gegen Polen sind wir mit einer ziemlich zusammengewürfelten Truppe aufgelaufen, da viele Stammkräfte zu diesem Zeitpunkt noch in den nationalen Pokalfinals unterwegs waren. Das 0:0 war vermutlich nicht das beste Länderspiel Deutschlands, aber sei’s drum: Ich habe diese ganz besondere Erfahrung machen dürfen, die kann mir niemand nehmen.

Ich wünsche es beiden natürlich, dass sie auf den EM-Zug aufspringen können.

Sebastian Jung

Eine weitere positive Erinnerung, auf die du vermutlich gerne zurückblicken wirst?
Genau. Der Zeitpunkt hatte auch sehr gut gepasst. Für mich war es noch einmal ein persönliches Highlight und der Abschluss einer tollen Saison, in der wir mit der Eintracht für ordentlich Furore gesorgt hatten.

Aus dem aktuellen Eintracht-Kader stehen Kevin Trapp und neuerdings auch wieder Amin Younes im DFB-Aufgebot. Was traust du den beiden in der Nationalmannschaft zu?
Ich wünsche es beiden natürlich, dass sie auf den EM-Zug aufspringen können. Wenn man sich die Nationalmannschaft momentan anschaut, haben alle Spieler die Chance, einen finalen Kaderplatz zu ergattern. Die aktuelle Form wird ein wichtiger Faktor sein – und die stimmt bei Kevin und Amin. Im Endeffekt kann ich das aus der Ferne aber natürlich nicht beurteilen, das ist die Aufgabe des Bundestrainers.

Nach der Saison 2013/14 ging es für Sebastian Jung von Frankfurt nach Wolfsburg.

Kommen wir wieder zu dir: Nach der furiosen Eintracht-Saison bist du zum VfL Wolfsburg gewechselt und konntest direkt im ersten Jahr den DFB-Pokalsieg und den zweiten Platz in der Liga feiern. Kann man die damalige Mannschaft mit der heutigen vergleichen?
Erfolgreich sind beide Mannschaften, jedoch mit unterschiedlichen Mitteln: Das aktuelle Team steht für mich für strukturierten, disziplinierten Fußball und weiß genau, wie es taktisch aufzutreten hat, um erfolgreich zu sein. Damals hatten wir vor allem sehr große individuelle Klasse, in allererster Linie ist hier Kevin de Bruyne zu nennen. Aber auch der Ex-Frankfurter Bas Dost im Sturmzentrum, der zu der Zeit ein absoluter Spitzenstürmer in der Bundesliga war, ein Ivan Perisic über die Außen oder damals schon Maxi Arnold, der auch heute noch die Fäden im Zentrum in der Hand hält.

Nach der sehr erfolgreichen Premierensaison haben dich Verletzungen immer wieder zurückgeworfen. Wie schwierig war es, immer wieder aufzustehen und sich in die Mannschaft zurück zu kämpfen?
Es ist natürlich nicht leicht, dich nach einer Verletzung immer wieder herankämpfen zu müssen. Vor allem die muskulären Probleme, die immer wieder auftraten und leider auch heute noch auftreten, sind eine spezielle Herausforderung. Meine Einstellung hilft mir aber, dass ich nach einer kurzen Zeit der Niedergeschlagenheit wieder den Blick nach vorne richte. Das Wichtigste ist: Ich habe weiterhin viel Spaß am Fußballspielen und bereite mich entsprechend vor, damit ich solche Verletzungen so gut wie möglich vermeiden kann.

Seit dieser Saison steht Sebastian Jung beim Zweitligisten Karlsruher SC unter Vertrag.

Seit Sommer 2020 stehst du beim Zweitligisten Karlsruher SC unter Vertrag, der aktuell auf dem sechsten Platz steht. Wie fällt dein Zwischenfazit beim KSC aus?
Sportlich sind wir voll im Soll. Das Ziel war der Klassenerhalt, mit dem aktuellen sechsten Platz war nicht unbedingt zu rechnen. Doch der Erfolg spricht für sich. Der Trainer und das gesamte Team machen das sehr gut, sowohl in der Kabine als auch auf dem Platz herrscht eine gute Stimmung. Ich fühle mich wirklich sehr wohl in Karlsruhe.

Aufgrund meiner Wurzeln drücke ich der SGE noch ein wenig mehr die Daumen.

Sebastian Jung

Kommen wir abschließend noch einmal auf die Partie am Samstag zu sprechen. Welches Spiel erwartest du und hast du einen Favoriten?
Wolfsburg hat ja die vergangenen vier Auswärtsspiele in Frankfurt allesamt gewonnen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die Eintracht offensiv auftreten wird und die Zuschauer vor den heimischen Bildschirmen eine packende Partie erleben werden. Aufgrund meiner Wurzeln drücke ich der SGE noch ein wenig mehr die Daumen. Nicht dass ich es Wolfsburg nicht gönnen würde, aber als Spieler, der die gesamte Jugend bei der Eintracht verbracht hat und generell Fan des Klubs ist, hoffe ich auf einen Eintracht-Sieg und einen weiteren Schritt in Richtung Champions League.