28.04.2021
Eintracht

„Wirtschaftlich sehr gut gewappnet“

Finanzvorstand Oliver Frankenbach erläutert die Maßnahmen und Aussichten von Eintracht Frankfurt vor dem Hintergrund der Coronapandemie.

Die erfreulichste Kunde erfolgte am Ende. Oliver Frankenbach hat seine COVID-19-Erkrankung „relativ gut überstanden. Seit Ende Januar, Anfang Februar befindet sich die Kette wieder rechts“, berichtete der passionierte Rennradfahrer. Auch in Bezug auf die aktuellen Auswirkungen und bevorstehenden Herausforderungen der Pandemie hatte der Finanzvorstand von Eintracht Frankfurt trotz der wirtschaftlichen Vollbremsung verhältnismäßig gute Neuigkeiten.

Oliver Frankenbach über...

...die Auswirkungen der Pandemie auf die vergangene Saison: Im März 2020 hatten wir noch mit einem Gesamtumsatz von etwa 300 Millionen Euro kalkuliert. Dann kam Corona und damit einhergehend die Ligaunterbrechung sowie Heimspiele ohne Zuschauer. Da es nicht mehr allzu viele Spieltage waren, war die Situation noch relativ gut zu managen, sodass am Ende ein Umsatz von 280 Millionen Euro und ein Gewinn von 19 Millionen Euro nach Steuern standen – das beste Ergebnis in der Geschichte von Eintracht Frankfurt. Wir konnten genügend Speck ansammeln, um uns durch die Pandemie zu manövrieren.

Unter dem Strich wird sich unser Eigenkapital bei etwa 33 Millionen Euro bewegen, wenngleich auch dieses teilweise vom sportlichen Abschneiden abhängig ist.

Oliver Frankenbach, Finanzvorstand Eintracht Frankfurt Fußball AG

...die getroffenen Maßnahmen während der Saison 2020/21: Die beiden Spiele mit der Teilzulassung von Zuschauern [6500 und 8000; Anm. d. Red.] fielen ökonomisch betrachtet nicht wirklich ins Gewicht. Wir haben viele Maßnahmen ergreifen müssen. Erstens die Beantragung einer Landesbürgschaft, um Kreditlinien zu sichern, weil zuvor eingeplante Einnahmen nicht geflossen sind. Zweitens drohten Transferforderungen auszufallen, die wir platziert und vorzeitig erzielt haben. Im Fall von Sébastien Haller haben wir uns mit West Ham United auf ein Finanzierungsmodell einigen können, die Summe, die normal zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig gewesen wäre, auf einmal zu erhalten. Des Weiteren haben wir eine Kreditlinienerweiterung vorgenommen. Wir sind durchaus stolz darauf, die Eintracht so aufzustellen, dass sie auch für die kommende Saison wirtschaftlich sehr gut gewappnet ist. Wir haben von der DFL [Deutsche Fußball Liga; Anm. d. Red.] die Bundesligalizenz für die Saison 2021/22 erhalten – und das für alle Bereiche ohne Auflagen und Bedingungen, was in diesen Zeiten ein sehr gutes Ergebnis darstellt.

...die erfolgte Eigenkapitalmaßnahme: Zum Zeitpunkt der ersten Stufe 2018 haben quasi alle Minderheitsaktionäre eine Kapitalanlage geleistet: Die Freunde des Adlers GmbH, die Freunde der Eintracht AG und die Wolfgang Steubing AG. Wir haben uns damals auf das Recht verständigt, die Anteile zu einem festgelegten Preis zurückkaufen zu können. Davon haben wir in diesem Jahr Gebrauch gemacht und sie sowohl an den neuen Aktionär Herzschlag Eintracht GmbH als auch die bestehenden Minderheitsaktionäre zu einem, entsprechend der Unternehmensentwicklung, anderen Preis verkauft. Dadurch haben wir zusätzlich 22 Millionen Euro generiert. Dieses Modell beteiligt die Aktionäre in einem gewissen Rahmen an der Unternehmensentwicklung. Es war nicht unbedingt geplant, den Rückkauf bei den bestehenden Aktionären neu zu platzieren. Aber es versteht sich von selbst, dass diese ein Vorkaufsrecht erhalten haben. Dieses haben alle wahrgenommen.

Alle Einnahmen aus dem Europapokal werden on top kommen und unseren Spielraum in alle Richtungen verbessern.

Oliver Frankenbach, Finanzvorstand Eintracht Frankfurt Fußball AG

...seine Prognosen für das laufende Geschäftsjahr: Der Umsatz wird nach dieser Saison wahrscheinlich bei circa 150 Millionen Euro liegen. Wir werden voraussichtlich einen Verlust um die 45 Millionen Euro machen. Prognosen sind aber abhängig vom weiteren Saisonverlauf. Abhängig vom Abschneiden werden Prämien fällig, die wir aber in Kauf nehmen, weil dies umgekehrt unseren Handlungsspielraum für die nächste Saison vergrößern würde. Unter dem Strich wird sich unser Eigenkapital bei etwa 33 Millionen Euro bewegen, wenngleich auch dieses teilweise vom sportlichen Abschneiden abhängig ist.

...die finanzielle Rolle der Qualifikation für den Europapokal: Wir haben die Lizenz für die Bundesliga auf Basis unserer Kalkulation ohne internationalen Wettbewerb erhalten. Das heißt, alle Einnahmen aus dem Europapokal werden on top kommen und unseren Spielraum in alle Richtungen verbessern. Die Champions, Europa wie auch Conference League werden neben den Kosten auch zusätzliche Einnahmen mit sich bringen, die wir investieren können: Abhängig vom Wettbewerb in die Mannschaft, aber auch in außersportliche Felder oder in die Rückführung von Fremdkapital. In der Champions League wäre in der Gruppenphase mit 20 Millionen Euro zu rechnen, in der Europa League mit zehn Millionen Euro. Und auch in der Conference League würden wir bei 7,5 Millionen Euro landen. Alles jeweils allein in der Gruppenphase, ohne Erfolgsprämien und mit Zuschauern.

Oliver Frankenbach rechnet nicht mit einem weiteren Spieljahr komplett ohne Zuschauer.

...den Umgang der Eintracht mit einer möglichen Champions-League-Teilnahme: Der Unterschied des Etats ist im Vergleich zu Klubs, die regelmäßig dort spielen, immens. Daran würde auch eine einmalige Teilnahme nichts ändern, weil wir nicht voraussetzen können, dort regelmäßig vertreten zu sein. Wir müssen die gesamtwirtschaftliche Situation im Auge behalten. Ich sehe uns immer noch unter den Top Zehn der Liga. Wenn wir vieles richtig machen, ist ein internationaler Wettbewerb möglich, dieses Jahr sogar die Champions League.

...Folgen und Lösungen für andere Bereiche: Es ist uns gelungen, mit einer Vielzahl unserer Sponsoren Leistungen, die wir nicht erbringen konnten, zu kompensieren. Auch das hat seinen Teil dazu beigetragen, dass wir so gut durch die Saison gekommen sind. Das war im Ticketing nicht möglich, weil an Heimspiele gekoppelte Leistungen schwer zu kompensieren sind.

Intensiver Austausch: Die Vorstände Fredi Bobic und Oliver Frankenbach.

...Schnittstellen mit dem Vorstand Sport: Ich wurde von Fredi Bobic schon immer voll in die Prozesse eingebunden. Vielleicht nicht immer in den Erstgesprächen, aber im zweiten Schritt, wenn es darum ging, wie sich Themen wirtschaftlich gestalten lassen. Aktuell bin ich auch bei den Erstgesprächen dabei. Deshalb hat sich nicht wirklich viel verändert; außer, dass ich einen Schritt früher an den Gesprächen teilnehme. Wir beschäftigen uns natürlich mit verschiedenen Optionen, um bei Kandidaten zumindest unser Interesse zu hinterlegen. Sobald der neue Sportvorstand feststeht, wird er diese Arbeit fortführen. Hinsichtlich der Nachfolgesuche bin ich der Überzeugung, dass ein Schnellschuss noch nie etwas gebracht hat. Das hat man an Fredi Bobic gesehen, den wir im Juni 2016 vorgestellt haben, was die beste Lösung war, die Eintracht Frankfurt auf dieser Position je hatte. Ich habe großes Vertrauen in den Hauptausschuss unseres Aufsichtsrats um Philip Holzer, dass sie wieder den richtigen Mann finden, um den Klub auf die nächste Stufe zu führen.

...die wirtschaftlichen Perspektiven für 2021/22: Wir könnten eine komplette weitere Saison ohne Zuschauer überstehen. Allerdings müssten wir dann wieder über teilweise zusätzliches Fremdkapital und einen Gehaltsverzicht sprechen. Wir haben ein Konzept, welches umsetzbar wäre. Nichtsdestotrotz glaube ich nicht, dass wir nochmal eine ganze Saison ohne Zuschauer erleben werden. Das würde nicht nur dem Profifußball extrem schaden, sondern dem Profi- und Amateursport generell. Für Sportarten, die auf das Zuschauererlebnis ausgelegt sind, wäre das nicht nur eine wirtschaftliche, sondern nicht zuletzt auch eine emotionale Katastrophe.