13.12.2020
Bundesliga

Zwischen Europafest und Ligapflicht

Borussia Mönchengladbach steht erstmals in der Vereinsgeschichte im Achtelfinale der UEFA Champions League. In der Bundesliga trauern die Fohlen so manchem Punktverlust hinterher.

Situation: Ein bisschen fehlt

Selten haben Bilder einer Fußballmannschaft derart für Furore gesorgt, die sie nicht spielend auf dem Platz, sondern bangend vor einem iPad zeigen. Der kollektive Teamjubel der Borussen am Spielfeldrand von Madrid ist um die Welt gegangen. Das eigene Spiel bei Real 0:2 verloren, drohte das Vorrundenaus. Doch weil das andere Gruppenspiel zwischen FC Internazionale Milano und Shakhtar Donetsk 0:0 endete, zogen die Fohlen als Tabellenzweiter ins Achtelfinale ein. „Jetzt wollen wir den Schwung mit in die Bundesliga nehmen“, hatte Trainer Marco Rose vor dem anschließenden Bundesligaspiel gegen Hertha BSC zum Ausdruck gebracht. Doch am vergangenen Samstag mussten sich die ambitionierten Hausherren mit einem 1:1-Unentschieden begnügen. Es war bereits das vierte Heimremis in der laufenden Saison.

Borussia Mönchengladbach 2020/21
Kompakt4 Siege, 5 Unentschieden, 2 Niederlagen, 20:17 Tore, 17 Punkte, Tabellenplatz 8
FormkurveN-U-S-U-U
TorschützenStindl (4), Embolo (2) Hofmann (2), Neuhaus (2), Plea (2), Thuram (2), Wolf (2), Ginter (1), Lainer (1), Lazaro (1), Wendt (1)

Zuvor hatte sich die Borussia schon von Union Berlin, Wolfsburg und Augsburg 1:1 getrennt. Weshalb die Fohlen den eigenen Ansprüchen in der Liga derzeit ein wenig hinterherhinken. „Wir hätten schon gerne zwei Heimspiele mehr gewonnen“, räumte Geschäftsführer Max Eberl am Samstagabend als Gast aktuellen sportstudio ein. Aktuell liegt Gladbach als Tabellenachter vier Punkte hinter Rang vier. Dort möchte die Mannschaft von Marco Rose am Saisonende unbedingt wieder hin, um erneut im Konzert von Europas Klubelite für Furore zu sorgen – vornehmlich auf und nicht neben dem Spielfeld.

Trainer: Nur eine Richtung – nach oben

Marco Rose gehört zur jungen Garde der Bundesligatrainer, die mit ihrem Wunsch nach offensiv ausgerichtetem Powerfußball die Attraktivität der Bundesliga erhöhen sollen und möchten. Der 44-Jährige bestimmt die Geschicke der Gladbacher Borussen seit Sommer 2019. In seiner Geburtsstadt Leipzig führte Rose den Regionalligisten 1. FC Lokomotive 2012/13 zum Klassenerhalt, ehe es ihn nach Salzburg zog. Beim FC leitete der Ex-Profi zunächst zwei Jahre die U16 an, ehe er die Verantwortung für die U18 übernahm, mit der er völlig überraschend die UEFA Youth League, die Champions League der A-Junioren, gewann. In der K.-o.-Phase schaltete das Rose-Team dabei hintereinander Paris St. Germain, Atlético Madrid und im Finale den FC Barcelona (2:1) aus.

Kind der Bundesliga, Vater des Erfolgs: Marco Rose.

Mit diesem Triumph empfahl sich der Coach im Verein für höhere Aufgaben und wurde im Sommer 2019 zum Cheftrainer des österreichischen Bundesligisten befördert. Zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg später stand der frühere Spieler von Mainz 05 bei mehreren Bundesligisten auf dem Wunschzettel. Rose entschied sich für Borussia Mönchengladbach und unterschrieb einen Dreijahresvertrag am Niederrhein. In seiner ersten Saison führte er den VfL in die UEFA Champions League, ein knappes halbes Jahr später steht er mit seiner Mannschaft im Achtelfinale. Die Borussen hoffen, dass dies lediglich den vorläufigen Höhepunkt einer möglichst langfristigen, erfolgreichen Zusammenarbeit darstellt.

Taktiktafel: Wechsel als Konstante

Zwei komplette Mannschaften sind bei der Borussia im Laufe der Bundesligasaison bereits zum Einsatz gekommen: 20 Feldspieler und zwei Torhüter. Das Trainerteam nutzt bei der hohen Belastung in den Englischen Wochen die Breite des Kaders aus und vertraut dabei auch den Spielern aus der sogenannten zweiten Reih“. Gegen Hertha BSC kam Ibrahima Traoré zu seinem ersten Saisoneinsatz von Beginn an. Gemeinsam mit Hannes Wolf und Patrick Hermann bildete er im zuletzt gewohnten 4-2-3-1-System die offensive Mittelfeldreihe hinter Stoßstürmer Breel Embolo. Auch gegen die Eintracht ist mit Änderungen zu rechnen – nicht nur, weil Neunationalspieler Florian Neuhaus erstmals in dieser Saison gelbgesperrt fehlen wird. Möglich, dass auch die Offensivakteure Lars Stindl, Marcus Thuram und Alassane Plea wieder in die Startelf rücken. Auf der Doppelsechs wird voraussichtlich Christoph Kramer für Neuhaus an der Seite von Denis Zakaria spielen, sofern der nach längerer Verletzungspause noch nach alter Topform suchende Schweizer Nationalspieler erneut von Beginn an ran darf. Als Alternative zu Zakaria stünde Lászlo Bénes bereit.

Normal gesetzt, am Dienstag gesperrt: Florian Neuhaus.

In der Viererkette gelten die Innenverteidiger Matthias Ginter und Nico Elvedi als gesetzt. Stefan Lainer dürfte nach seiner Verschnaufpause vom Samstag auf seine angestammte Rechtsverteidigerposition zurückkehren. Spannend wird es auf der linken Seite: Normalerweise agiert dort der routinierte Schwede Oscar Wendt als Ersatz für Ramy Bensebaini, der nach seiner COVID-19-Infektion noch nicht ins Training zurückgekehrt ist. Allerdings hat Rose in den letzten 25 Minuten gegen Hertha auch seine Allzweckwaffe Valentino Lazaro als linken Defensivmann ausprobiert. Der österreichische Nationalspieler hinterließ einen guten Eindruck und kurbelte das Offensivspiel immer wieder über die linke Außenbahn an, sodass er sich Hoffnungen machen darf, erneut zum Einsatz zu kommen – zumal er auch eine Option für die offensive Dreierreihe darstellt. Das Tor der Borussen wird Yann Sommer hüten, sofern er seine leichten Adduktorenprobleme auskuriert hat. Alternativ kommt sein verlässlicher Vertreter Tobias Sippel zu seinem zweiten Einsatz in Folge.

Spieler im Fokus: Matthias Ginter

Er ist die Konstante im Spiel der Borussen. Der Nationalspieler verpasste in der laufenden Saison noch keine Bundesligaminute und gibt dem Team Halt wie kaum ein anderer Gladbacher. Sowohl im Defensivverbund als auch im Aufbauspiel ist auf Ginter Verlass. Mit seinen langen Diagonalbällen auf die rechte Außenbahn hat der Innenverteidiger schon so manche Mittelfeldreihe überrumpelt und gefährliche Angriffe seines Teams initiiert. Welche Bedeutung Ginter für das Spiel der Borussen hat, wurde vor allem am zurückliegenden Mittwoch in Madrid deutlich: Real-Trainer Zinédine Zidane hatte seine Spieler angewiesen, Ginter immer wieder hoch anzulaufen, um so das Aufbauspiel der Borussen vermehrt über Nebenmann Nico Elvedi zu lenken.

Mister Zuverlässig: Matthias Ginter.

Borussias Nummer 28 zählt auch in der Nationalmannschaft zu den Stützen Jogi Löws und genießt eine hohe Wertschätzung im Trainerstab, bei den Mitspielern und bei den Fans, die ihn im Vorjahr sogar zum „Nationalspieler des Jahres“ kürten. Ginter macht keinen Hehl daraus, dass er im Fortlauf seiner erfolgreichen Karriere (Weltmeister 2014, Olympiasilber 2016 und Confed Cup-Gewinner 2017) vor allem von seinem Mentor Christian Streich profitiert hat. Unter dem Coach des SC Freiburg reifte der Defensivallrounder im Breisgau zum Bundesligaprofi und empfahl sich durch seine starken Leistungen für höhere Aufgaben. Über den BVB landetet er in Gladbach, wo er zum Führungs- und DFB-Stammspieler reifte. Dass auch Streich immer noch eine besondere Beziehung zu seinem Ex-Schützling hegt, macht der neueste Zugang in den heimischen vier Wänden des Trainers deutlich. Dort hängt nämlich seit kurzem das aktuelle Borussen-Trikot mit der Nummer 28. Ginter hatte es ihm zugeschickt, nachdem Streich ihn im Anschluss an das Borussen-Gastspiel vor einer Woche in Freiburg (2:2) darum gebeten hatte. Eine Geste Ginters, die die Bodenständigkeit des 26-Jährigen unterstreicht.

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