13.05.2021
Bundesliga

Auf Abschiedstour

Trotz des bereits feststehenden Abstiegs gibt sich der FC Schalke 04 nicht auf – auch weil er eine Negativmarke verhindern möchte.

Situation: Gegen den Rekord

Die den Zahlen nach zu urteilen schlechteste Saison der Vereinsgeschichte neigt sich dem Ende zu. Seit dem 30. Spieltag und der 0:1-Niederlage bei Arminia Bielefeld steht fest: Der FC Schalke 04 muss in der kommenden Spielzeit zum vierten Mal in der Zweiten Bundesliga antreten. Mit 13 Punkten nach 32 Spieltagen stehen die Knappen abgeschlagen am Tabellenende, in dieser Saison gelangen den Königsblauen erst zwei Siege. In der Hinrunde besiegte Schalke die TSG Hoffenheim mit 4:0, am 28. Spieltag gab es zuletzt einen 1:0-Heimerfolg gegen den FC Augsburg. Die anschließenden vier Partien gegen Freiburg (0:4), Bielefeld (0:1), Hoffenheim (2:4) und jüngst Hertha BSC (1:2) verloren die Blau-Weißen allesamt. Die Niederlage im Nachholspiel gegen die Berliner am Mittwoch war bereits die elfte Heimpleite in dieser Saison – damit haben die Knappen einen neuen Vereinsnegativrekord aufgestellt.

FC Schalke 04 2020/21
Kompakt2 Siege, 7 Unentschieden, 23 Niederlagen, 21:82 Tore, 13 Punkte, Tabellenplatz 18
FormkurveS-N-N-N-N
TorschützenHoppe (5), Uth (3), Harit (2), Raman (2), Boujellab (1), Huntelaar (1), Kolasinac (1), Mascarell (1), Mustafi (1), Paciencia (1), Serdar (1), Thiaw (1)

21 erzielte Treffer sind ligaweit die wenigsten, 82 Gegentore die meisten im deutschen Oberhaus. 2005 musste der SC Freiburg mit 18 Zählern nach 34 Spieltagen als bisher schlechtester Absteiger der Bundesligageschichte seit Einführung der Dreipunkteregel runter in die zweite Liga, der FC Schalke könnte in diesem Jahr einen neuen Negativrekord aufstellen.

Trainer: Kind der Region

Dimitrios Grammozis übernahm das Cheftraineramt bei den Knappen im März dieses Jahres. Der 42-Jährige ist der fünfte S04-Coach in dieser Saison und folgte auf David Wagner, Manuel Baum, Interimstrainer Huub Stevens sowie Christian Gross. „Ich möchte meinen Ehrgeiz, meine Power auf die Mannschaft übertragen. Besonders wichtig ist mir der Zusammenhalt“, erklärte Grammozis bei seiner offiziellen Vorstellung. Der in Wuppertal geborene Grieche machte seine ersten Schritte als Fußballlehrer beim VfL Bochum, für dessen Jugendteams und U23 er zwischen Januar 2014 und Februar 2019 im Einsatz war. Zudem stand er in der Saison 2016/17 als Co-Trainer der Profis an der Seitenlinie.

Dimitrios Grammozis lebt an der Seitenlinie vor, welche Attribute er von seinen Spielern verlangt.

Dem VfL ist Grammozis sehr verbunden, 2013 beendete er seine aktive Laufbahn bei der zweiten Mannschaft der Bochumer. Zuvor hatte der ehemalige Mittelfeldspieler unter anderem für den KFC Uerdingen, den Hamburger SV und den 1. FC Kaiserslautern auf dem Platz gestanden. 2018 schloss Grammozis die Ausbildung zum Fußballlehrer ab, im Februar 2019 heuerte er als Cheftrainer beim Zweitligisten SV Darmstadt 98 an. Im Sommer 2020 schieden sich die Wege, nach knapp achtmonatiger Pause nahm Grammozis die große Aufgabe in Gelsenkirchen an. Als gebürtiger Wuppertaler und ehemaliger Bochumer Coach ist er tief im Ruhrgebiet verwurzelt. „Da ich aus der Region komme, weiß ich, wie Schalke 04 tickt, wie die Menschen hier ticken und welche Bedeutung der Verein hat. Ich freue mich riesig, nun ein Teil des Vereins zu sein“, so Grammozis bei Dienstantritt.

Taktiktafel: Jugendlich rekordträchtig

Während S04 über weite Strecken der Saison im 4-2-3-1-System unterwegs war, setzt Grammozis auf ein 3-4-1-2- respektive 3-5-2. Die Dreierkette besetzten im Nachholspiel gegen Hertha BSC am Mittwochabend Bastian Oczipka, Salif Sané und Shkrodan Mustafi. Im Mittelfeld liefen Timo Becker, Florian Flick, Blendi Idrizi und Sead Kolasinac auf. Letzterer fehlt den Knappen am Samstag gelbgesperrt. Amine Harit kam auf der Zehnerposition zum Einsatz, Klaas-Jan Huntelaar und Matthew Hoppe bildeten die Doppelspitze. 

Die Schalker sind in dieser Spielzeit personell schwer auszurechnen, mit 40 eingesetzten Akteuren haben die Knappen einen neuen Bundesligarekord aufgestellt. Dabei stand kein Spieler in allen 32 Partien auf dem Platz. Ein Grund für die ständige Rotation im Team: Die lange Liste der Verletzten, die S04 in dieser Saison begleitet. Auf jeder Position mussten Coach Grammozis und seine Vorgänger bereits Ausfälle beklagen, aktuell befinden sich alleine sieben Spieler in häuslicher Quarantäne, nachdem drei Schalker positiv auf COVID-19 getestet wurden. Dafür setzen die Königsblauen in diesem Jahr auf die Jugend. Mit Malick Thiaw (19), Toptorschütze Matthew Hoppe (20), Kilian Ludewig (21), Mehmet Can Aydin (19), Kerim Calhanoglu (18), Florian Flick (21), Luca Schuler (22), Jimmy Kaparos (19), Mikail Maden (19) und Blendi Idrizi (23) debütierten in dieser Saison gleich zehn S04-Youngster im Oberhaus.

Spieler im Fokus: Klaas-Jan Huntelaar

Im Januar überraschte der FC Schalke 04 mit der Rückholaktion des früheren Leistungsträgers Klaas-Jan Huntelaar. Der Niederländer spielte in den ersten Jahren seiner Profikarriere in der Heimat unter anderem für die PSV Eindhoven und Ajax Amsterdam, ehe es ihn im Januar 2009 zu Real Madrid zog. Nach sieben Monaten bei den Königlichen wechselte der Stürmer zur AC Milan. Ein weiteres Jahr später ging es zu Schalke in die Bundesliga. Für die Knappen erzielte der „Hunter“ zwischen 2010 und 2017 in 240 Pflichtspielen 126 Tore und bereitete 35 Treffer vor.

In der Saison 2011/12 wurde er mit 29 Buden als erster Niederländer Torschützenkönig der Bundesliga. Nach sieben Jahren im Ruhrgebiet zog es Huntelaar zurück in die Heimat zu Ajax Amsterdam, nun ist er wieder für die Blau-Weißen im Einsatz. „Schalke ist so ein Verein, der geht unter die Haut und der geht nie mehr weg“, erklärte der Stürmer nach Bekanntgabe seines Wechsels im Januar.

Auch Klaas-Jan Huntelaar konnte den Schalker Abstieg nicht verhindern. Ob er im nächsten Jahr mit den Knappen den direkten Wiederaufstieg in Angriff nimmt, wird sich noch klären.

Acht der ersten neun Partien verpasste der Offensivmann verletzungsbedingt, anschließend kam Huntelaar in jedem Spiel zum Einsatz. Bei seinem Startelfdebüt in Leverkusen traf der Vizeweltmeister von 2010 und Dritte der WM 2014 zum 1:2-Endstand, seitdem stand er in jeder Partie von Beginn an auf dem Platz. Mit seinem Treffer gegen Bayer 04 schoss sich Huntelaar zum ältesten Torschütze der Schalker Bundesligageschichte. Ursprünglich wollte der Niederländer seine Karriere im Sommer beenden, aktuell scheint allerdings auch eine Fortsetzung der Zusammenarbeit in Gelsenkirchen möglich.

„Man weiß nicht, was passiert. Fußball ist auf jeden Fall das Schönste, was es gibt“, erklärte Huntelaar jüngst. Und weiter: „Es wird keine Frage des Alters sein, sondern vom Kopf und der Mentalität her und wie man sich fühlt.“ Kein Wunder, immerhin löste der 37-Jährige nach dem Jahreswechsel immerhin Makoto Hasebe als ältesten eingesetzten Akteur in dieser Spielzeit ab. S04-Sportvorstand Peter Knäbel ist von den Qualitäten des Stürmers überzeugt und weiß um die Bedeutung des Niederländers für den Verein: „Klaas ist mit dieser Einstellung und seinem Werdegang Vorbild und wichtiger Ansprechpartner für unsere jungen Spieler.“ Insofern könnte mit der vorläufigen Abschiedstour zugleich eine Fortsetzung mit dem Rückkehrer einhergehen.

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