13.06.2020
Bundesliga

Bewegte Tage bei der Alten Dame

Nach turbulenten Monaten lebt dank Bruno Labbadia auf der Zielgeraden sogar der Traum von Europa.

Situation

Hertha BSC steht in dieser Spielzeit im medialen Fokus wie kaum ein anderer Bundesligist. Eine Finanzspritze im dreistelligen Millionenbereich durch Investor Lars Windhorst und der damit verbundene selbst formulierte Anspruch des „Big City Clubs“ katapultierten den Hauptstadtverein fernab der sportlichen Ergebnisse in die Schlagzeilen. Der Wechsel von Jürgen Klinsmann vom Aufsichtsrat auf den Trainingsplatz heizte die Ambitionen zusätzlich an. In Windeseile verpflichteten die Berliner die Klinsmann-Empfehlungen Matheus Cunha, Santiago Ascacibar, Krzysztof Piatek und Lucas Tousart. Letztgenannter Transfer war dabei ein Vorgriff auf die kommende Saison, der französische Nationalspieler wird erst in der Spielzeit 2020/21 die Fäden im Mittelfeld der Hertha ziehen.

Auch danach wurde es nicht ruhiger: Auf den Rücktritt Jürgen Klinsmanns folgte wegen Verfehlungen im Umgang mit der Coronapandemie die Suspendierung von Salomon Kalou. Nun scheint mit Bruno Labbadia ein wenig Ruhe und Stabilität eingekehrt zu sein: Als der 54-Jährige seinen neuen Chefposten übernahm, hatten die Berliner bei sechs Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz große Abstiegssorgen. Mit zehn Punkten aus fünf Spielen führte er die Herthaner auf einen komfortablen neunten Tabellenplatz. Der Vorsprung auf den Tabellen-16. Fortuna Düsseldorf wuchs auf zehn Zähler an, Platz sieben und die damit verbundene Europapokalqualifikation scheint bei fünf Zählern Rückstand noch in Reichweite. Ganz nach dem Geschmack von Investor Windhorst, der jüngst angekündigt hat, sein Engagement nochmals intensivieren zu wollen.

Formkurve

Die Bilanz nach dem Restart lässt sich sehen: Drei Siege, ein Remis und eine Niederlage stehen seit dem Amtsantritt von Bruno Labbadia zu Buche. Einem 3:0-Auswärtserfolg bei der TSG Hoffenheim und dem 4:0-Derbysieg gegen Union Berlin folgten ein 2:2 in Leipzig, ein 2:0-Erfolg gegen den FC Augsburg und zuletzt die 0:1-Niederlage bei Borussia Dortmund. Nicht nur anhand der Ergebnisse lassen sich Verbesserungen nach dem Trainerwechsel erkennen: Die Defensive steht sicherer, die Herthaner schießen viele Tore, und auch die Passquote von jetzt 84 Prozent hat sich im Vergleich zum vorherigen Saisonverlauf (81 Prozent) verbessert. In Dortmund blieben die Berliner zwar erstmals nach sechs Spielen torlos, trafen in den sechs Bundesligapartien zuvor aber immer mindestens doppelt und insgesamt 16 Mal. Einzig die Bayern erzielten seit dem 24. Spieltag mehr Treffer (24).

Trainer

Bruno Labbadia ist in dieser Saison nach Ante Covic, Jürgen Klinsmann und Alexander Nouri bereits der vierte Cheftrainer der Hertha und – sofern fünf Partien aussagekräftig genug sind ­– auch der beste. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn mit 621 Pflichtspieleinsätzen und 241 Toren als Profi, debütierte er 2003 als Trainer beim SV Darmstadt. Weitere Stationen waren Greuther Fürth, Bayer Leverkusen, der Hamburger SV, der VfB Stuttgart, der VfL Wolfsburg und nun Hertha BSC. In den vergangenen Jahren erarbeitete sich der ehemalige Stürmer vor allem den Ruf des „Retters“. Sowohl Hamburg als auch Wolfsburg bewahrte er über die Relegation vor dem Abstieg. Den VfL führte er in der anschließenden Saison auf Tabellenplatz sechs und die damit verbundene Qualifikation für den Europapokal. Sein Vertrag wurde auf eigenen Wunsch nicht verlängert. Seit März ist Labbadia nun bei der Hertha aus Berlin im Amt und hat die nächste Mannschaft vor dem Abstieg gerettet.

Taktiktafel

Verschiedene Trainer brachten auch diverse Taktiken und Aufstellungen mit sich: Von 4-2-3-1 über 3-4-1-2, 4-3-3, 4-4-2 und 5-4-1 war in dieser Saison alles dabei. Mit Bruno Labbadia kehrte auch in dieser Hinsicht Konstanz ein. Das 4-2-3-1-System ist aktuell die Wunschlösung. Die Abwehrkette setzte sich in den ersten Partien aus Peter Pekarik, Dedryck Boyata, Jordan Torunarigha und Marvin Plattenhardt zusammen – letzterer musste am 28. Spieltag in Leipzig verletzt ausgewechselt werden und wurde von Maximilian Mittelstädt ersetzt. Noch ist fraglich, ob Plattenhardt nach seiner überstandenen Gehirnerschütterung wieder von Beginn an zum Einsatz kommt. Auf der Doppelsechs sind Per Skjelbred und Marko Grujic gesetzt. Im offensiven Mittelfeld vertraute Labbadia zum Restart auf Vladimir Darida, Dodi Lukébakio und Matheus Cunha. Der ehemalige Leipziger wurde in den jüngsten beiden Spielen verletzungsbedingt von Javairo Dilrosun vertreten, in der vergangenen Woche musste allerdings auch der 21-jährige Niederländer vorzeitig raus und fällt mit einer Oberschenkelblessur sogar bis zum Saisonende aus. Falls auch Cunha nach seiner Gehirnerschütterung noch nicht wieder einsatzfähig sein und Plattenhardt ins Team zurückkehren sollte, könnte Maximilian Mittelstädt auf die offensive Außenposition rücken. Als einzige Spitze stürmt Vedad Ibisevic, der zuvor unter der Leitung Klinsmann und Nouri schon fast abgeschrieben war. Das Vertrauen von Bruno Labbadia zahlt der 35-Jährige in Form von zwei Toren und zwei Vorlangen aus den fünf Partien zurück. Als Joker steht Krzysztof Piatek bereit.

Spieler im Fokus: Marko Grujic

Marko Grujic stammt aus der Jugend von Roter Stern Belgrad und wurde 2016 vom FC Liverpool verpflichtet. Im Januar 2018 wechselte er für sechs Monate leihweise zum englischen Zweitligisten Cardiff City. Nach seiner Rückkehr verlieh der Meisteraspirant der Premier League den 1,91 Meter großen Mittelfeldakteur für eine Saison an Hertha BSC. In dieser Spielzeit kam Grujic verletzungsbedingt auf 22 Einsätze, entwickelte sich aber schnell zum Schlüsselspieler im Berliner Offensivspiel und steuerte fünf Tore und eine Vorlage bei. Seinen Premierentreffer in der Bundesliga feierte der 23-Jährige im Dezember 2018 ausgerechnet gegen die Eintracht. Im Anschluss an seine starke erste Saison im Oberhaus verlängerte der FC Liverpool die Leihe um ein weiteres Jahr. Und auch in der aktuellen Spielzeit nimmt Grujic eine wichtige Rolle bei der Hertha ein, stand in 25 Partien auf dem Feld und kommt auf vier Treffer und einen Assist. Auch beim 2:2 zwischen der Eintracht und den Berlinern in der Hinrunde netzte der Serbe – damit kommt er in zwei Duellen mit den Adlern auf zwei Treffer. Möge die neue Beständigkeit in der Hauptstadt in dieser Hinsicht eine Ausnahme machen...

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