06.04.2020
Interview

„Dann kommen die Spiele Schlag auf Schlag“

Russ ist zurück! Thema ist aber nicht nur die ausgeheilte Achillessehne. Unter anderem erklärt er, weshalb Erfahrung in der aktuellen Situation relativ ist.

Marco Russ freut sich, wieder Rasen unter den Füßen zu spüren.
Marco, wie ist es für dich, nach langer Verletzung zurück bei der Mannschaft zu sein?
Wenn ich der Coronapause überhaupt etwas Positives abgewinnen kann, ist es die Möglichkeit, Rückstände aufzuholen und im Umfeld der Mannschaft zu trainieren. Entsprechend versuche ich aktuell, die letzten fehlenden Prozent in der Wadenmuskulatur aufzubauen und bin guter Dinge. Es macht Spaß, wieder mit den Jungs auf dem Platz zu stehen, wenn es auch nur ganz wenige sind. Das war ein Teilziel, an diesem arbeite ich.Wie schätzt du dein aktuelles Leistungsvermögen ein?
Das einzige, das noch etwas fehlt, ist der Kraftaufbau in der Wade, gerade im horizontalen Bereich fehlt noch etwas im Vergleich zur linken Seite, die im vergangenen halben Jahr quasi alle Bewegungen alleine gemacht hat. Aber Läufe und Sprints funktionieren schon wieder.Kannst du uns von deinen Erfahrungen in der Reha berichten?
Es war ziemlich eintönig, weil die Abläufe in den ersten Wochen immer die gleichen sind. Interessanter wurde es, als ich ohne Unterstützung angefangen habe, auf dem Laufband zu arbeiten. Von da an ging es bergauf. Das erste große Ziel war dann, wieder auf dem Platz zu stehen.Die Quarantäne hat für dich als Familienvater sicher eine Herausforderung dargestellt, oder?
Nicht nur für mich als Familienvater, sondern für uns alle. Denn seit Beginn unserer Profikarriere ist es eigentlich jeder gewohnt, tagtäglich bei der Mannschaft zu sein. Natürlich konnten wir es auch genießen, über einen längeren Zeitraum im Kreise der Familie zu sein. Aber nicht nur uns Sportlern fällt irgendwann die Decke auf den Kopf, das geht jedem so.Wie hast du diese Zeit überbrückt?
Ich habe viele Filme geschaut, auf dem Fahrrad gesessen, Stabiübungen gemacht und weiter an meiner Wade gearbeitet. Dafür konnte ich die zwei Wochen ganz gut nutzen.Welche Schwierigkeit bringt es mit sich, nicht zu wissen, wann es weitergeht?
Tja, wir arbeiten gewissermaßen auf den Tag X hin. Keine Ahnung, wann der kommt. Aktuell ist es für uns wie eine Vorbereitung. Die kann vier oder auch acht Wochen gehen. Wir arbeiten grundsätzlich auf den frühestmöglichen Zeitpunkt hin, alles andere liegt in den Händen der Politik und Gesundheitsministerien.Ist es bei dem Ernst der Lage wichtig, den Spaß nicht zu verlieren?
Ich denke schon, dass wir eine gute Mischung finden müssen. In erster Linie gilt es aber, hart zu arbeiten, um zum gegebenen Zeitpunkt topfit zu sein. Weil klar ist auch, dass die Spiele dann Schlag auf Schlag kommen werden. Dass dabei der Spaßfaktor einfließt, ist nicht ungewöhnlich und war bei uns schon immer der Fall.Inwieweit sind erfahrene Spieler wie du oder Makoto Hasebe in dieser Situation noch mehr gefragt?
Schwer zu sagen, weil diese Situation für uns genauso neu ist wie für die Jüngeren auch. Das ist auf der ganzen Welt der Fall. Jeder rätselt ein bisschen und versucht das Bestmögliche für sein Land. Wir verlassen uns dabei auf unsere Spaßvögel im Team, die die nötige Lockerheit reinbringen.Was hältst du von zu bevorstehenden Spielen ohne Zuschauer?
Das hat gewissermaßen einen Vorbereitungscharakter, wenn du im Trainingslager bist, dich mit einem anderen Bundesligisten bist und auf irgendeinem Platz vor zwölf Zuschauern spielst. Das macht einfach keinen Spaß, aber über allem steht die Gesundheit. Nicht nur bei uns als Bundesligamannschaft, sondern in allen Lebensbereichen. Da müssen wir durch.Dann wenigstens mit deinem Comeback?
Ja, das wäre so oder so eine schöne Sache. Natürlich wäre es vor Fans schöner, doch bis dahin ist es ohnehin noch ein weiter Weg. Wie gesagt, habe ich durch die aktuelle Lage wenigstens etwas mehr Zeit.