21.05.2021
Historie

„Davon werde ich noch meinen Enkeln erzählen“

Mit Frankfurt stürmte er durch Europa, mit Freiburgs U23 kämpft Johannes Flum aktuell um den Aufstieg. Ein Gespräch über das Duell am Samstag, Zukunftspläne und Besonderheiten der Eintracht.

Die erste Frage kommt vom Interviewten selbst: „Sitzt ihr noch im Stadion?“, zeigt sich Johannes Flum gleich neugierig, wie es um die alten Bekannten aus der Presseabteilung bestellt ist. „Nein, nicht mehr.“ Der Umzug ins ProfiCamp wirft seine Schatten voraus. „Auf jeden Fall viele Grüße an alle!“ Richten wir gerne aus – und sind gleich beim ersten Thema.

Johannes, mit der U23 des SC Freiburg bekommst du es in der Regionalliga oftmals mit Teams aus dem Rhein-Main-Gebiet zu tun. Besitzen Duelle wie mit Mainz II oder Kickers Offenbach für dich nochmal einen spezielleren Reiz?
Als Spieler von Frankfurt gab es aufgrund des Ligaunterschieds keine Berührungspunkte zu Offenbach, auch im Pokal sind wir nie aufeinandergetroffen. Auf der anderen Seite sind wir während der Fahrt zum letzten Auswärtsspiel durch Frankfurt gekommen und am Main Plaza vorbeigefahren. Das war unser damaliges Teamhotel. Dadurch kommen automatisch Gedanken hoch, jedoch vor allem an die Eintracht.

Johannes Flum und die Eintracht verlangen dem FC Porto 2014 in Hin- und Rückspiel alles ab und scheiden denkbar knapp aus der UEFA Europa League aus.

Welche Gedanken wären das?
Ganz besonders an das erste Jahr unter Armin Veh. Im Nachhinein muss ich sagen: Das war bombastisch! Wir hatten eine super Mannschaft und die Fans sind ohnehin toll. In Freiburg erfahren wir auch große Unterstützung, aber wenn jedes Mal über 50.000 Menschen ins Stadion kommen – am Wochenende wie unter der Woche – ist das nochmal etwas anderes. Nicht zu vergessen die Europa-League-Reise nach Bordeaux. Davon werde ich noch meinen Enkeln erzählen. Ich bin total dankbar, dass ich dabei sein durfte, auch wenn einen das Ausscheiden gegen Porto aufgrund der Auswärtstorregel ärgert, weil man nicht weiß, wohin der Weg noch geführt hätte. Aber die Erinnerung kann mir keiner mehr nehmen.

Im Januar 2017 bist du zum FC St. Pauli gewechselt. Hast du ein Faible für Traditionsvereine?
Das könnte man meinen. Damals war es aber einfach so, dass der Verein auf mich zugekommen ist und ich es in Frankfurt schwer hatte, auf Einsätze zu kommen. Also habe ich mir gedacht, ich gehe einen Schritt zurück. Zwar in die Zweite Liga, aber zu einem Verein, bei dem ich Verantwortung übernehmen kann. St. Pauli war zu diesem Zeitpunkt abgeschlagen Letzter, am Ende haben wir souverän die Klasse gehalten. Ich war sehr gerne in Hamburg und bin total dankbar, nach der Eintracht einen weiteren Traditionsverein mit großer Fankultur kennengelernt zu haben, auch wenn sich beide nicht vergleichen lassen.

Am 30. Oktober 2019 das Wiedersehen mit Frankfurt, hier Flum gegen Evan Ndicka. Die Hessen setzen sich in der Zweiten Runde des DFB-Pokals am Millerntor 2:1 durch.

2020 erfolgte die Rückkehr nach Freiburg, wo ihr bei sieben Punkten Vorsprung an der Spitze der Regionalliga steht. Wären Glückwünsche zum Aufstieg schon angebracht?
Auf keinen Fall! Wir wissen, dass wir eine super Runde spielen und auf einem guten Weg sind. Nichtsdestotrotz ist die noch nicht zu Ende. Wir haben fünf richtig schwere Aufgaben vor der Brust, die Gegner lauern auf eine Schwächephase. Diese hatten wir bisher nicht und wir hoffen, dass es dabei bleibt.

Wie würdest du deine Rolle bei der zweiten Mannschaft beschreiben?
Die Mannschaft setzt sich aus überwiegend jungen Spielern zusammen, hinzu kommen drei Ältere wie mir, die wissen, dass sie nach dem Ausklang ihrer Karriere beim Sport-Club die Möglichkeit haben, sich beruflich zu verändern und weiterzubilden, also beispielsweise ihre Trainerscheine zu machen. Gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, die Jungs an den Profifußball heranzuführen.

Im Sommer 2020 kehrt Johannes Flum zum SC Freiburg zurück, mit dessen U23 er als Kapitän gute Aussichten auf den Aufstieg in die Dritte Liga hat.

Wie läuft das konkret?
Das geht schon morgens mit der Vorbereitung auf das Training los, damit jeder ein professionelles Bewusstsein dafür entwickelt, dass jede Einheit wertvoll und wichtig ist, um täglich voranzukommen. Zudem geht es darum, Werte zu vermitteln. Nehmen wir den Gemeinschaftssinn: Jeder ist wichtig, auch wenn er mal nicht spielen sollte oder es sportlich nicht läuft. Das versuchen wir vorzuleben.

Angesichts 85 Punkten und 89 Toren nach 37 Spieltagen offenbar mit Erfolg.
Ich würde das nicht immer an Ergebnissen festmachen. Aber zufällig kommt diese Ausbeute sicher auch nicht zustande. Wir haben in diesem Jahr einfach eine sehr gute Mischung aus vielen Talenten und dem einen oder anderen erfahrenen Spieler, die alle sehr ambitioniert sind. Das gleiche gilt für den Trainerstab. Die Truppe besitzt neben individueller Klasse auch hohes Tempo und insgesamt gute Charaktere.

Die Tendenz geht auf jeden Fall dahin, Trainer werden zu wollen.

Johannes Flum

Mit dir als Kapitän.
Ja, das war vor mir eigentlich Felix Roth. Wenn er nicht spielt, trage ich die Binde. Aber das spielt ohnehin keine große Rolle, weil jeder bei uns Verantwortung tragen soll und das auch will.

Hast du schon Pläne für die Zeit nach deiner Spielerkarriere?
Zunächst werde ich nächstes Jahr weiterspielen. Die Tendenz geht auf jeden Fall dahin, Trainer werden zu wollen. Dafür möchte ich die Trainerscheine machen, dann muss man sehen, was sich daraus ergibt. Lust auf diesen Job hätte ich.

Was findest du in Freiburg vor, was Frankfurt nicht hat – und umgekehrt?
Grundsätzlich sind beide sehr familiär geführt und stehen für eine gewisse Kultur. Freiburg ist zwar etwas kleiner, eher eine Studentenstadt, in der mittlerweile aber auch viele fußballverrückt sind. In Frankfurt ist die Eintracht ein größeres Thema, auch über die Stadt hinaus. Selbst im Umland wird man sofort auf die SGE angesprochen. Überall begegnest du dem Adler, das war schon cool. Der Verein erzeugt eine ganz andere Wucht. Mein Eindruck ist, auch wenn sich das nicht pauschalisieren lässt, dass in einer Finanzstadt wie Frankfurt mehr Menschen mit der Bahn, dem Auto oder auch mal dem Flugzeug zu den Spielen kommen, während in Freiburg mehr mit dem Fahrrad anreisen – angefangen bei Cheftrainer Christian Streich (lacht).

Ich freue mich einfach auf ein attraktives Spiel zweier offensivstarker Mannschaften.

Johannes Flum

Im Breisgau ist also alles etwas beschaulicher?
Genau, und trotzdem ist es dem SC zuletzt gelungen, mit kleineren Mitteln eine Größe in der Bundesliga zu werden. Die Kontinuität im sportlichen Bereich zahlt sich aus. Und nur, weil von außen weniger Druck erzeugt wird, heißt das nicht, dass sich die Verantwortlichen diesen intern nicht selbst machen würden. Sonst würde der Klub nicht dort stehen, wo er nun steht.

Das ist vor dem 34. Spieltag Platz zehn, mit theoretischen Chancen auf die Conference League. Was erwartest du am Samstag in Frankfurt für ein Saisonfinale?
Normalerweise drücke ich immer der Eintracht die Daumen. Aber in diesem Fall habe ich zu Freiburg nochmal einen anderen Bezug, da ich die meiste Zeit meines Spielerdaseins hier verbrachte habe. Einfach wird es aber nicht, weil die Eintracht ihrerseits einen positiven Saisonabschluss anstrebt und zu Hause noch ungeschlagen ist. Auf der anderen Seite hätte Freiburg von einem Sieg mehr. Ich freue mich einfach auf ein attraktives Spiel zweier offensivstarker Mannschaften.