14.06.2020
Bundesliga

Frischgemacht

Mit neuen Spielern und alten Waffen gewinnt die Eintracht erstmals seit Ende November wieder nach Rückstand. Für die personellen Vorteile muss sich in Frankfurt gewiss keiner entschuldigen.

Drei Tage nach dem verpassten Einzug ins Endspiel haben die Adler Berlin auf ihre Weise erobert. Auch wenn Kevin Trapp nach dem 4:1-Kantersieg in der Hauptstadt meinte, „in der Pause schon nicht das Gefühl“ gehabt zu haben, „dass wir heute verlieren“, war der scheinbare Selbstläufer nach dem Seitenwechsel alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Natürlich „waren wir auch in der ersten Halbzeit die bessere Mannschaft und haben nur einen Schuss auf unser Tor bekommen“, wie Sportdirektor Bruno Hübner aufzeigte. Auf der anderen Seite datierte der bis Samstag letzte Sieg nach Rückstand immerhin vom 28. November, als die Hessen den Arsenal FC in London 2:1 bezwungen hatten. Nicht nur deswegen sprachen Trapp und Adi Hütter hinterher unisono von „top Mentalität und tollem Charakter.“ Die top körperliche Verfassung hatte der Cheftrainer bereits im Vorfeld mehrfach hervorgehoben – und deshalb ohne Gewissensbisse im Vergleich zum Halbfinale am Mittwoch gleich sieben frische Kräfte ins Rennen geschickt. Es war absehbar, dass Filip Kostic nach seiner Rotsperre wieder zurückkehren würde und Sebastian Rode wegen seiner fünften Gelben Karte passen werden müsste. Aber auch die Auswahl der übrigen Akteure geschah nicht erst rückblickend mit Sinn und Verstand. „Die Überlegungen des Trainerteams sind voll aufgegangen“, betonte Hübner.

Der zuletzt mehr mit Kurzeinsätzen bedachte Djibril Sow schwang sich mit 11,3 Kilometern gleich zum lauffreudigsten Adlerträger auf und behob damit ein Manko, das gegen die laufstarke Mainzer Zentrale vor einer Woche teilweise den Ausschlag gegen die Eintracht gegeben hatte. Nebenmann Dominik Kohr wiederum blieb im Team und verzeichnete mit 17 einmal mehr die meisten gewonnen Zweikämpfe. Der lauf- und zweikampfstärkste Berliner Vladimir Darida kommt auf fünf Duelle weniger. „Dominik ist auf einem guten Weg, das hat er in München schon in der zweiten Halbzeit gezeigt“, freute sich Hübner für den Aufschwung des Sommerneuzugangs.

Die weiteren bereits in München gestarteten David Abraham und Evan Ndicka standen ihrerseits ihren Mann. Der Kapitän bewies, was Hütter wenige Tage zuvor gemeint hatte, als er sagte, „David ist ein toller Verteidiger, wenn er zu 100 Prozent fit ist“, und der Franzose übernahm gewissermaßen nicht nur Martin Hintereggers Posten als linkem Innenverteidiger, sondern beim 3:1 sogleich auch dessen Torjägerrolle. Aufgelegt wiederum von Danny da Costa, der unlängst vom Chefcoach ein Sonderlob vor versammelter Mannschaft erhalten hatte. Und auch Bas Dost mit dem wichtigen Ausgleich sowie Daichi Kamada, der Hütter bei seinem Solo vor dem 2:1 an einen österreichischen Slalomfahrer erinnert hatte, sammelten weitere Scorerpunkte. Den entscheidenden Treffer kassierte der Niederländer wiederum kurz vor der Halbzeitpause, als „ich frei durch war und mir schon überlegt habe, wo ich den Ball hinschieben soll“, ehe Boyata die Notbremse zog. Überzahl für die zweiten 45 Minuten.

Danny da Costa wird den Vorschusslorbeeren in dieser Woche vollauf gerecht.

„Es war die richtige Entscheidung, in der Pause den zweiten Stürmer zu bringen, weil wir dann mehr Präsenz im Strafraum hatten“, fuhr Hübner in seiner Analyse fort. Es bedarf fast keiner Erwähnung mehr, dass Hütter auch am 31. Spieltag mehr als ein Ass aus dem Ärmel zauberte. Neben Doppeltorschütze und Assistgeber André Silva, mit sechs Treffern nun der erfolgreichste Bundesligaspieler seit dem Restart, wäre fast untergegangen, dass auch der von der Bank gekommene Stefan Ilsanker die Vorlage zum 4:1 gab. Vergleichbar verhielt es sich unmittelbar nach Schlusspfiff, auch vor dem Hintergrund der Parallelspiele, mit der nicht unwichtigen Tatsache, dass Eintracht Frankfurt auch rechnerisch endgültig den Klassenerhalt gesichert hat. Womit alle Beteiligten mehreren Ankündigungen Taten folgen ließen. Wie Hütter vor wenigen Tagen „keine Motivationsprobleme“ befürchtet hatte, hatte der Fußballlehrer schon während der Coronapause bekräftigt: „Wir brauchen jeden Spieler.“ Sätze, die alles waren, aber mit Sicherheit keine leeren Worthülsen. „Wir haben viel rotiert, aber dennoch überzeugt“, bemerkte entsprechend Trapp, der nachschob: „Den Rhythmus kennen wir aus der Europa League, das hilft uns momentan sicher auch.“ Möglichkeiten, die die sprichwörtliche Alte Dame, mit einem Durchschnittsalter von 29 Jahren und elf Tagen am Samstag mit der ältesten Mannschaft seit 2007 angetreten, nicht vorzuweisen hat. „Andere Vereine, auch die Hertha, haben sicher mehr Verletzungsprobleme als wir“, blieb Hütter ein Fakt nicht verborgen, für den sich im Stadtwald aber sicher keiner entschuldigen muss.

Genauso wenig wie für die berechtigte „die Rote Karte als Türöffner“, wie es Kohr beschrieb, der selbst in der Hinrunde in Mainz nicht als einziger Adlerträger die leidvolle Erfahrung eines Platzverweises in der ersten Halbzeit machen musste, sich aber nicht nur wegen seiner regelmäßigen Einsatzzeiten immer besser zurechtfindet: „Mittlerweile habe ich verstanden, was der Trainer von mir verlangt und die Mannschaft gibt es mir zurück. Ich bin glücklich, dass ich aktuell viel spiele.“ In der verbleibenden Spielzeit sind nur weitere drei Partien möglich, die Relegation ist bekanntlich ebenso abgehakt wie das Pokalfinale. Bliebe noch der offene Ausgang in der UEFA Europa League, in der der Weg aber nicht nur wegen des 0:3 gegen Basel normalerweise mehr als beschwerlich scheint. Aber was ist in dieser Saison schon normal.