19.01.2021
Bundesliga

Leicht gedrosselt, nicht gebremst

Nach Startschwierigkeiten spielt der SC Freiburg die nächste Saison über den eigenen Erwartungen. Daran ändert auch das 1:2 in München nichts.

Situation: Neue Sphären

Nachdem der SC Freiburg mit einem 3:2-Auswärtserfolg beim VfB Stuttgart in die neue Saison gestartet war, folgte eine Sieglosserie von neun Spielen, darunter fünf Remis und vier Niederlagen. Die Folge: Die Breisgauer rangierten mit acht Zählern nach zehn Spieltagen auf Rang 14 und hatten lediglich einen Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz und den DSC Arminia Bielefeld. Daraufhin kam es schließlich zum direkten Duell mit dem Aufsteiger, welches die Mannschaft von Christian Streich mit 2:0 für sich entscheiden konnte. Anschließend folgten ein 2:0-Auswärtserfolg bei Schalke 04, ein 4:1-Sieg gegen Hertha BSC, ein 3:1 bei der TSG Hoffenheim und ein 5:0 gegen den 1. FC Köln – geteilt das deutlichste Resultat der Freiburger Bundesligahistorie (außerdem 2000 gegen Bochum und 1999 gegen Rostock).

SC Freiburg 2020/21
Kompakt6 Siege, 5 Unentschieden, 5 Niederlagen, 29:26 Tore, 23 Punkte, Tabellenplatz 9
FormkurveS-S-S-S-N
TorschützenGrifo (7), Petersen (6), Sallai (4), Lienhart (3), Demirovic (2), Höler (2), Gulde (1), Höfler (1), Jeong (1), Santamaria (1)

Auf dieser Welle von fünf Bundesligasiegen in Folge reitend verließ der SC nicht nur die Abstiegsregion und kletterte in die obere Tabellenhälfte, sondern stellte auch einen Vereinsrekord auf. Am vergangenen Spieltag verloren die Breisgauer erstmals seit dem 22. November 2020 ein Spiel: Freiburg musste sich beim Rekordmeister FC Bayern München knapp 1:2 geschlagen geben.

Trainer: Über alle Zweifel erhaben

Seit mehr als neun Jahren steht Christian Streich bereits bei den Profis des SC Freiburg an der Seitenlinie und ist damit der aktuelle Bundesligatrainer mit der längsten Amtszeit. Schon vor seiner Rolle als Chefcoach war der 55-Jährige ausschließlich für die Breisgauer tätig. Seit 1995 ist Streich im Verein – die Anfänge machte er als Nachwuchs- und als Co-Trainer der Lizenzspieler, ehe er im Dezember 2011 den Posten als Chefcoach von Marcus Sorg übernahm. Zuvor war der Fußballlehrer bereits als Profi beim SC tätig, damals stand er allerdings einzig während der Saison 1987/88 bei den Breisgauern unter Vertrag. Im Verein genießt Streich seit Jahren uneingeschränkten Rückhalt. Im Anschluss an Tabellenplatz 17 im Jahr 2015 und den damit verbunden Abstieg ging Freiburg mit dem Metzgerssohn in die Zweite Liga.

Bald ein Jahrzehnt Cheftrainer der SC-Profis: Christian Streich.

Dieses Vertrauen zahlte das Urgestein mit dem direkten Wiederaufstieg zurück. Seitdem gelingt es Streich stetig, seine Mannschaft von den Abstiegsrängen fernzuhalten und den Verlust von Leistungsträgern zu kompensieren. Der siebte Tabellenplatz in der ersten Saison nach dem Wiederaufstieg berechtigte die Breisgauer sogar zur Teilnahme an der Qualifikation für die UEFA Europa League. Auch in der laufenden Spielzeit zeigte Freiburg nach einem schleppenden Start seine Qualitäten. Die menschlichen Qualitäten, um dauerhaft eine verschworene Einheit zu bilden und in all der Zeit authentisch zu bleiben, veranlasste den kicker 2017 dazu, Streich zur Persönlichkeit des Jahres zu küren.

Taktik: Zwischen Rotation und Improvisation

Trainer Streich schickt seine Mannschaft vorzugsweise im 3-4-2-1 auf den Platz, das auch zum 4-4-2 werden kann, wenn Keven Schlotterbeck mit oder ohne Ball ins defensive Mittelfeld vorrückt, um situativ Überzahl herzustellen. Die Dreierkette besetzten neben dem zentralen Mann zuletzt Manuel Gulde und Philipp Lienhart. Im Mittelfeld vertraut der Coach auf Christian Günter, Nicolas Höfler, Baptiste Santamaria und Lukas Kübler. Santamaria musste am vergangenen Spieltag gegen Bayern München bereits nach fünf Minuten verletzungsbedingt ausgewechselt werden und steht den Breisgauern bis auf Weiteres wegen einer Knieverletzung nicht zur Verfügung. Weil Höfler zudem seine fünfte Gelbe Karte sah, muss Streich am Mittwoch zwei der vier Mittelfeldpositionen neu besetzten, zumal mit Amir Abrashi ein möglicher Nachrücker ebenfalls verletzt ist.

Bekanntes Bild im Breisgau: Überzahl in Ballnähe als probates Mittel.

Als Alternativen stehen Janik Haberer, Lino Tempelmann und Yannik Keitel bereit. Auch die Maßnahme, wie in der vergangenen Saison mit Robin Koch gehandhabt, einen Innenverteidiger eine Ebene vorzuziehen, wäre denkbar.  In der Offensive kamen am Samstag SC-Topscorer Vincenzo Grifo, Roland Sallai und Ermedin Demirovic zum Einsatz. Mit Nils Petersen und Lucas Höler können die Badener zudem auf zwei weitere Offensivkräfte zurückgreifen. So oder so bewegen sich die Überlegungen nach den kurzfristigen Entwicklungen während der Englischen Woche zwischen Rotation und Improvisation.

Spieler im Fokus: Philipp Lienhart

Nicht nur die Eintracht hat seit wenigen Tagen mit Luka Jovic wieder einen Königlichen in ihren Reihen, auch der SC Freiburg kann bereits seit dreieinhalb Jahren einen Mann vorzeigen, der zumindest auf dem Papier dem weißen Ballett angehörte: Philipp Lienhart. Der Österreicher ist neben Christian Günter der einzige Freiburger, der in dieser Saison noch keine Pflichtspielminute verpasst hat. Der Innenverteidiger wechselte im Juli 2017 leihweise von Real Madrid zum SC, stand in den ersten neun Ligapartien stets in der Startelf und wurde anschließend von kleineren Verletzungen ausgebremst. Obwohl Lienhart in der Rückrunde nur 45 Minuten auf dem Feld stand, zogen die Breisgauer im Sommer 2018 die vorher vereinbarte Kaufoption und verpflichteten den Österreicher fest. Zuvor hatte der 24-Jährige zwei Jahre vorwiegend für Castilla, die zweite Mannschaft von Real Madrid, gespielt, konnte als Mitglied des Champions League-Kaders der Profis jedoch in beiden Spielrunden mit den Königlichen den Gewinn des Henkelpotts feiern.

Philipp Lienhart traf in dieser Saison als einziger Bundesligaakteur bereits drei Mal nach einer Ecke.

In den jüngsten beiden Spielzeiten im Oberhaus kam der Innenverteidiger auf 14 und 22 Einsätze. Spätestens in diesem Jahr ist ihm der endgültige Durchbruch gelungen. Neben seiner 100-prozentigen Einsatzquote erzielte der 1,89-Meter-Mann am vierten Spieltag der aktuellen Saison gegen Werder Bremen sein erstes Bundesligator, gegen Borussia Mönchengladbach und den 1. FC Köln folgten zwei weitere. Auch in der eigenen Hälfte weiß der gebürtige Lilienfelder etwas mit der Kugel anzufangen, verzeichnete gegen die Bayern die meisten Ballkontakte seines Teams (59). Zweimaliger Nationalspieler ist Lienhart übrigens auch, beim 3:0 gegen Luxemburg am 11. November 2020 gegen Luxemburg agierte er in der ersten Halbzeit an der Seite von Martin Hinteregger.

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