08.04.2021
Bundesliga

Im sechsten Gang

Seinen Erfolg verdankt das Team des VfL Wolfsburg vor allem der wohl intensivsten Spielweise der Liga. Ein Spieler sorgt dabei regelmäßig für Speed-Alarm auf der Außenbahn.

Situation: Auf Hochtouren

Am Anfang stand der Kaltstart. Qualifikationsrunde für die UEFA Europa League bis Anfang Oktober, Last-Minute-Aus bei AEK Athen. Nach dem 1:2 in Griechenland ist das internationale Geschäft für den VfL Wolfsburg erstmal passé. Ein halbes Jahr später sind die Aussichten dahingehend besser als erwartet. Die Maschine läuft bei den Autostädtern seit Monaten auf Hochtouren.

Mit 54 Punkten nach 27 Spieltagen rangieren die Wolfsburger aktuell auf Tabellenplatz drei, der Vorsprung auf die Eintracht beträgt vier Zähler. In den zehn Rückrundenpartien sammelten die Niedersachsen 25 Punkte, einzig Spitzenreiter Bayern München holte ebenso viele Zähler. Von den jüngsten elf Ligaspielen verloren die Niedersachsen nur ihre Partie bei der TSG Hoffenheim (1:2), gegen Borussia Mönchengladbach gab es ein torloses Remis. Die übrigen Spiele gewannen die Grün-Weißen allesamt. Am vergangenen Wochenende siegten die Wölfe mit 1:0 gegen den 1. FC Köln, es war nach den Erfolgen gegen Schalke (5:0) und Bremen (2:1) der dritte Bundesligadreier in Serie.

VfL Wolfsburg 2020/21
Kompakt15 Siege, 9 Unentschieden, 3 Niederlagen, 46:22 Tore, 54 Punkte, Tabellenplatz 3
FormkurveS-N-S-S-S
TorschützenWeghorst (17), Baku (5), Steffen (5), Brekalo (4), Arnold (3), Bialek (2), Brooks (2), Philipp (2), Gerhardt (1), Lacroix (1), Schlager (1)

Mit der diesjährigen Punktausbeute spielt der VfL seine zweitbeste Saison im deutschen Oberhaus, mehr Zähler hatte Wolfsburg nur 2014/15 auf dem Konto (57). Zum Vergleich: Im Meisterjahr 2008/09 standen die Niedersachsen nach 27 Spieltagen ebenfalls bei 54 Punkten. Dass sich die Ambitionen im Laufe der Saison folglich in neue Richtungen verschoben haben, erklärte auch Yannick Gerhardt vor der Partie gegen Köln: „Vor der Saison war es natürlich nicht unser Ziel, in die Champions League zu kommen. Wir wollten uns weiterentwickeln und möglichst das internationale Geschäft erreichen. Aber wenn man acht Spieltage vor Schluss immer noch auf dem dritten Tabellenplatz steht, ist man als Sportler natürlich auch so ehrgeizig, auf diesem Platz bleiben zu wollen und ihn bis zum Schluss zu verteidigen. Wir als Mannschaft sind zuversichtlich, das erreichen zu können. Dafür werden wir in den letzten Spielen alles geben.“

Trainer: Unter Glasner gut wie nie

Im Sommer 2019 übernahm Oliver Glasner den Cheftrainerposten in Wolfsburg und erreichte in seiner ersten Saison den siebten Tabellenplatz. Aktuell surft er mit den Grün-Weißen auf der Erfolgswelle. Der gebürtige Salzburger hat während seiner fast zweijährigen Amtszeit 103 Punkte geholt und weist mit einem Punkteschnitt von 1,69 die beste Bundesligabilanz aller VfL-Trainer auf. Glasner verbrachte den Großteil seiner aktiven Spielerkarriere beim SV Ried in der österreichischen ersten Liga, musste diese aber im November 2011 aufgrund einer schweren Kopfverletzung vorzeitig beenden. Zwischen Juli 2012 und Mai 2014 stand der 46-Jährige als Co-Trainer von Roger Schmidt beim FC Salzburg unter Vertrag. Im Anschluss trat der Österreicher bei seinem ehemaligen Verein SV Ried seinen ersten Job als Chefcoach an, blieb dort allerdings nur ein knappes Jahr. Zur Saison 2015/16 wechselte der studierte Diplom-Kaufmann in die zweite Liga zum Linzer ASK und fungierte dort als Chefcoach und Sportdirektor.

Erfolgsgarant: Oliver Glasner hat in der Wolfsburger Bundesligageschichte aktuell den besten Punktschnitt aller Cheftrainer.

Zwei Jahre nach Amtsantritt führte Glasner die Linzer in die Bundesliga und beendete die erste Spielzeit als Aufsteiger auf dem vierten Tabellenplatz. Ein Jahr später wurde Glasners Mannschaft sogar Vizemeister. Trotz der gleichbedeutenden Teilnahme an der Qualifikationsphase für die UEFA Champions League entschied sich der Fußballlehrer für die neue Herausforderung im Norden des Nachbarlands. Der 46-Jährige wirkt an der Seitenlinie meist sehr ruhig, sagt aber von sich, dass dieser Eindruck auch täuschen kann: „Ich wirke nach außen wahrscheinlich gelassener als ich bin. Diejenigen, die täglich mit mir arbeiten, kennen mich auch anders. Wenn mir im Training etwas gegen den Strich geht, kann ich laut werden.“ Ob laut oder leise, seine Mannschaft scheint mit ihm optimal zu funktionieren.

Taktiktafel: Höchste Sicherheitsstandards, hoher Verbrauch

Coach Glasner schickt sein Team zumeist im 4-2-3-1-System auf den Platz. In der Viererkette sind Kevin Mbabu, Maxence Lacroix und John Anthony Brooks gesetzt. Auf der linken Seite feierte Jérôme Roussillon am vergangenen Samstag sein Startelf-Comeback. Zuletzt hatte der 28-Jährige beim 1:2 gegen Bayern München im Dezember von Beginn an gespielt. Auf der Doppelsechs vertraut Glasner auf Maximilian Arnold und Xaver Schlager, in der offensiven Dreierreihe kamen gegen Köln Matchwinner Josip Brekalo, Ridle Baku und Yannick Gerhardt zum Einsatz. Letztgenannter ersetzte den aufgrund einer Wadenverletzung fehlenden Admir Mehmedi auf der Zehn. Im Sturm führt kein Weg an Wout Weghorst vorbei, der mit seinen 17 Saisontoren mehr als ein Drittel aller VfL-Treffer erzielt hat. Durch seinen sechsten Assist gegen Köln ist der Niederländer nicht nur Toptorschütze, sondern auch der beste Vorlagengeber der Wölfe. In seinen jüngsten vier Bundesligaspielen war Weghorst mit je drei Treffern und Vorarbeiten an sechs Toren direkt beteiligt.

Toptorjäger, Topvorlagengeber – Topscorer: Sturmtank Wout Weghorst.

Mit 46 Treffern haben die Grün-Weißen zwar die wenigsten aller Top-Fünf-Teams im deutschen Oberhaus erzielt. Dass mit einer souveränen Defensivleistung aber auch ein knappes 1:0 für einen Dreier reicht, bewies der VfL am vergangenen Spieltag. Die Defensivarbeit beherrschen die Niedersachsen par excellence. 22 Gegentreffer sind geteilter Ligabestwert mit Leipzig, zudem hielt Keeper Koen Casteels gegen Köln zum 13. Mal seine Weste weiß. In den ersten zehn Rückrundenpartien kassierten die Wölfe lediglich drei Treffer, noch nie ließ ein Bundesligist in dieser Phase weniger Gegentore zu. Bemerkenswert ist vor allem ihr konstant aufwendiges Auftreten: 6829 Sprints sind ebenso unerreicht wie 20.965 intensive Läufe.

Spieler im Fokus: Ridle Baku

Ridle Baku hat sich in Wolfsburg zum Nationalspieler gemausert. Der Rechtsfuß kann sowohl rechts offensiv als auch rechts in der Viererkette spielen. Am 25. Spieltag wurde er beim 5:0 gegen den FC Schalke sogar aushilfsweise als Linksverteidiger eingesetzt und reihte sich in die Torschützenliste des Tages ein. Der 22-Jährige steht sinnbildlich für das Wolfsburger Spiel – 882 Sprints bedeuten ligaweit mit Abstand die meisten, zudem sind auch seine 2287 intensiven Läufe der Spitzenwert in der Beletage. Mit 279,3 gelaufenen Kilometer liegt er hier immerhin ligaweit an zwölfter Stelle. Seit dem dritten Spieltag der aktuellen Saison steht der gebürtige Mainzer bei den Niedersachsen unter Vertrag.

Sinnbild der aufwendigen Wolfsburger Spielweise: Kraftpaket Ridle Baku.

Zuvor hatte der Außenbahnspieler sämtliche Jugendabteilungen des 1. FSV Mainz 05 durchlaufen, bei dem er 2018 zu den Profis aufgerückt war. Damals bekam Baku auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel der Mainzer U23 die Nachricht, dass er an der nächsten Autobahnraststätte aus dem Mannschaftsbus aussteigen solle. Die Profimannschaft brauchte den gelernten Außenverteidiger, der in seinen ersten drei Einsätzen zwei Tore und eine Vorlage zum Klassenerhalt der Rheinhessen beisteuerte. Beim Tabellendritten aus Wolfsburg ist der seit Donnerstag 23-Jährige nun leistungstechnisch förmlich explodiert. Nach seiner Einwechslung im ersten Ligaspiel stand Baku in jeder Partie in der Startelf, zudem sammelte er bereits acht Scorerpunkte (fünf Tore, drei Vorlagen) und kam auf eine Spitzengeschwindigkeit von 33,19 Kilometern pro Stunde.

Ridle Baku kann 34 Einsätze für diverse Juniorenauswahlen Deutschlands sowie ein A-Länderspiel vorweisen.

Neben seinen Leistungen für den VfL brillierte Baku jüngst auch bei der deutschen U21-Nationalmannschaft. Beim 3:0 gegen Ungarn netzte der Flügelspieler zwei Mal selbst und bereitete den ersten Treffer vor – damit war er maßgeblich am Einzug ins Viertelfinale der Europameisterschaft beteiligt. Stefan Kuntz, Trainer des deutschen U21-Teams, lobt nicht nur die fußballerische Qualität des gebürtigen Mainzers: „Bei Ridle ist der Kopf im Vergleich zu anderen Talenten sehr, sehr klar. Das ist für mich der größte Unterschied.“ Am 11. November 2020 feierte Baku bereits an der Seite von Kevin Trapp sein Debüt für die A-Nationalmannschaft und wirkte beim 1:0 gegen Tschechien über 90 Minuten mit. Auch hier stand am Ende die Null.

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Die Adlerträger

Eine Radio-Mini-Hörspiel-Serie von Henni Nachtsheim, der sich dem jeweils nächsten Gegner der Eintracht von der humoristischen Seite nähert. Die neue Folge: „Volltreffer“ – unbedingt reinhören!