13.02.2021
Historie

„Die Eintracht hatte schon immer ihren Reiz“

Mit Köln gewann er den DFB-Pokal, in Frankfurt wurde er Nationalspieler: Thomas Kroth blickt auf seine Zeit als Profi, spricht über seine Beratertätigkeit und das Duell seiner Ex-Klubs.

Thomas, nach 14 Jahren als Fußballprofi hast du dir nach deiner aktiven Karriere als Spielerberater einen Namen gemacht. Wie kam es dazu?
Rückblickend war der Weg vorgezeichnet. Ich habe nach meiner Laufbahn relativ schnell begonnen, für einen Berater zu arbeiten und habe mich später selbständig gemacht. Zunächst war ich parallel Miteigentümer einer Immobilienfinanzierung, lasse das aber seit längerem ruhen, um mich voll auf den Fußball zu konzentrieren.

Von 1983 bis 1985 warst du 78 Mal für die Eintracht am Ball. Welche Erinnerungen verbindest du mit der Zeit in Frankfurt?
Das war verglichen mit heute eine andere Welt. Beispielweise haben wir damals noch mit jungen Spielern wie Ralf Falkenmayer, Thomas Berthold oder Martin Trieb am alten Riederwald und nicht wie heute auf dem Stadiongelände trainiert. In Erinnerung geblieben ist sicher die erfolgreiche Relegation 1984 gegen den MSV Duisburg [5:0, 1:1; Anm. d. Red.], auch wenn man natürlich lieber in einem DFB-Pokalfinale steht als um den Klassenerhalt zu kämpfen (schmunzelt). Nie vergessen werde ich, dass mir in Frankfurt der sportliche Durchbruch gelungen ist und ich in dieser Zeit Nationalspieler geworden bin.

Thomas Kroth und Ralf Falkenmayer feiern am 1. Juni 1984 das 5:0 im Relegationshinspiel beim MSV Duisburg.

Hast du heute noch Kontakt zum Verein oder ehemaligen Kollegen?
Zu meinen früheren Mitspielern weniger, abgesehen von Uwe Bein, mit dem ich auch beim HSV zusammengespielt habe. Aber beruflich habe ich natürlich öfters mit der Eintracht zu tun, weil unsere Agentur PRO Profil Makoto Hasebe, Daichi Kamada und Sebastian Rode vertritt.

Da du es schon ansprichst: Wie verfolgst du deren Entwicklung?
Die Spieler fühlen sich hier sichtlich wohl und der Klub ist ebenso zufrieden mit ihnen. Es freut mich, dass sich alle zu festen Größen entwickelt haben. Zu Makoto muss ich eigentlich nichts sagen. Er ist mit seiner Einstellung in allen Belangen ein Vorbild. Auf diese Weise kommt Vereinstreue zustande. Sein Identifikationspotential verhält sich wie bei Sebastian Rode, der zwar zeitweise für andere Klubs gespielt, aber 2019 zurückgekehrt ist. Das beweist, dass er damals nicht im Bösen gegangen ist. Natürlich wollten ihn die Verantwortlichen halten, aber die Chance, für die Bayern zu spielen, kommt vielleicht nur ein Mal im Leben. Bei Daichi zeigt sich, wie wichtig Spielpraxis ist. Während seiner einjährigen Leihe nach Belgien hat er viele Tore erzielt, ist mit gewachsenem Selbstvertrauen zurückgekehrt und mittlerweile Stammspieler.

Die drei gelten als sehr umgängliche Profis. Würdest du das an deiner Beratung oder ihrer Persönlichkeit festmachen?
Eindeutig an letzterem, immerhin beraten wir die Spieler und erziehen sie nicht (lacht). Es gefällt mir immer, wenn sich die Spieler auch menschlich weiterentwickeln. Dahingehend schauen wir schon genau, mit welchen Charakteren wir zusammenarbeiten. Nehmen wir Makoto: Ihn betreue ich, seit er 19 ist. Wenn ich mir seine Vita anschaue, welche Rekorde er aufgestellt und welches Standing er in der Bundesliga wie in Asien erlangt hat, sprechen wir zweifelsohne von einer außergewöhnlichen Karriere. Logisch, dass wir während einer solch langen Zusammenarbeit ein Verhältnis entwickelt haben, das weit mehr als nur geschäftlich, sondern auch freundschaftlich ist.

Musterschüler: Sebastian Rode, Makoto Hasebe und Daichi Kamada.

Betrachtest du es als ehemaliger zentraler Mittelfeldspieler und Libero als Vorteil, wenn in diesem Fall Hasebe und Rode ähnliche Positionen ausfüllen?
Soweit würde ich nicht gehen. Sonst hieße das ja im Umkehrschluss, dass ich einen Manuel Neuer als Torwart weniger gut unterstützen würde. Ich denke jedoch, dass es ein Vorteil ist, früher selbst gespielt zu haben. Das ist freilich kein K.-o.-Kriterium dafür, ob jemand seinen Job besser oder schlechter macht, aber es erleichtert vieles. Ich kann mich besser in schwierige Situationen wie Reservistenrollen oder Verletzungsprobleme hineinversetzen. Hinzu kommt zwangsläufig ein größeres Netzwerk, weil viele heutige Trainer, Sportdirektoren oder Präsidenten ehemalige Mit- oder Gegenspieler von mir sind. So beginnt man auf einer ganz anderen Vertrauensbasis und viele Türen gehen leichter auf.

Gutes Stichwort: Ist die Eintracht mit wachsendem sportlichem Erfolg attraktiver für potentielle Neuzugänge geworden?
Das kommt immer auf den jeweiligen Spieler an. Aber natürlich ist es schwieriger, sich zu verstärken, wenn man gerade abgestiegen, als wenn man im Europapokal vertreten ist. Doch unabhängig davon hatte die Eintracht schon immer ihren Reiz und einen Namen: Die Stadt, der Flughafen, die große sportliche Tradition, die großartige Anhängerschaft sind alles Voraussetzungen, die man in dieser Kombination nicht überall vorfindet.

Wenn zwei, drei Große schwächeln, muss die Eintracht da sein. Aktuell sind sie ja sogar eher die Verfolgten als die Verfolger.

Thomas Kroth

Wie bewertest du die aktuelle Situation der Eintracht?
Speziell seit Fredi Bobic hier ist, hat sich der Klub gefangen und seit einiger Zeit nichts mehr mit dem Abstieg zu tun. Im Gegenteil: Die Mannschaft steht überwiegend in der oberen Tabellenhälfte und hat Tuchfühlung zu den internationalen Plätzen, auch wenn aktuell alles sehr eng zugeht. Die vergangenen Jahre waren nicht zuletzt geprägt von den spektakulären Auftritten in der Europa League. Gegen Chelsea durfte ich im Hin- und Rückspiel im Stadion dabei sein. Ein tolles Erlebnis, auch wenn es unglücklich nicht fürs Finale gereicht hat. Aber die Jungs haben sich super verkauft.

Die Verantwortlichen um Fredi Bobic erhalten viel Lob für ihre Kaderpolitik während der Wintertransferperiode. Welche Meinung hast du dazu?
Zu der Rückholaktion von Luka Jovic kann ich nur gratulieren! Auf der anderen Seite ist es den Verantwortlichen gelungen, den Kader zu verschlanken, ohne jemanden vergraulen zu müssen. Alle Verkäufe oder Leihen geschahen, so meine Wahrnehmung, auf Wunsch der Spieler. Dahingehend sehe ich im gesamten Fußball einen Trend. Ich erwarte, dass viele Vereine ihre Kader im Sommer, wenn Verträge auslaufen, weiter verkleinern werden, um Gehälter einzusparen. Die Auswirkungen der Coronapandemie sind allgegenwärtig, die Klubs verhalten sich auf dem Transfermarkt wesentlich zurückhaltender, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Wechsel als auch der Höhe der Summen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Profis auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten. An dieser Stelle möchte ich auch der DFL um Christian Seifert ein Kompliment aussprechen, die es mit ihrem Hygienekonzept erst möglich gemacht haben, dass Fußball zumindest in den ersten drei Ligen durchgängig stattfinden kann. Das betrachte ich als Privileg.

Was traust du den Adlern in der laufenden Saison zu?
Wie gesagt ist das obere Drittel derzeit extrem verdichtet. Wenn zwei, drei Große schwächeln, muss die Eintracht da sein. Aktuell sind sie ja sogar eher die Verfolgten als die Verfolger. Die Eintracht hat alle Möglichkeiten, sich zumindest wieder für die Europa League zu qualifizieren. Wenn vier, fünf Spieltage vor Schluss sogar mehr möglich wäre, wird sicher jeder alles dafür geben, das Maximum zu erreichen.

Szenarien, von denen der 1. FC Köln derzeit weiter weg ist. Wie schätzt du die Lage dort ein?
Ehrlich gesagt bin ich zu weit weg, um mehr wiedergeben zu können als das, was man liest und hört. Darauf basierend habe ich den Eindruck, dass sich der Klub sportlich gefangen hat, jedoch auf operativer Ebene etwas größere Probleme hat als auf dem Platz.

Was erwartest du vom Duell deiner Ex-Klubs am Sonntag?
Mir ist bewusst, dass Köln mit den jüngsten Ergebnissen zurück in die Erfolgsspur gefunden hat und gerade in der Fremde gefährlich ist – wie es generell für die Bundesliga gilt, wo sich die Auswärtssiege häufen, seit keine Zuschauer zugelassen sind. Nichtsdestotrotz sehe ich die Eintracht in der Favoritenrolle. Frankfurt wird gewinnen und muss das gewissermaßen auch, wenn sie oben dranbleiben möchten. Alle wissen, worum es geht und machen seit Wochen einen sehr konzentrierten Eindruck.