03.02.2019
Bundesliga

Die Rückkehr der Grenzgänger

Erstmals in dieser Saison bekam es die Eintracht mit einem Tabellenführer zu tun. Es war der Härtetest zur rechten Zeit.

Mit Blick auf das Topspiel des 20. Spieltags hatte Adi Hütter eine top Leistung gefordert. Der Cheftrainer durfte sich im Nachhinein in der Einschätzung der Leistungsfähigkeit seiner Schützlinge weitgehend bestätigt fühlen, indem er feststellte: „Es ist sehr gut zu sehen, dass die Mannschaft an ihre Leistungsgrenze gehen kann.“ Am Limit hatten sich bereits im Vorfeld die Erwartungen an das Aufeinandertreffen der DFB-Pokalsieger der vergangenen beiden Jahre bewegt: Die vormals dritt- gegen gefährlichste Offensive, die Eintracht mit 39 Toren, die Borussia mit 50 Buden, einem Schnitt von mehr 2,6 Hütten pro Partie. Dazu eine im Stadtwald leibhaftige Torjägerliste mit vier der sechs treffsichersten Bundesligaspieler sowie vier der fünf Topscorer. Auf der einen Seite Toptorjäger Luka Jovic mit 13 Hütten, auf der anderen Marco Reus, der Akteur mit den meisten, bis dahin 21 Torbeteiligungen. Beide auf der Zehnerposition aufgebotenen Schlüsselspieler sollten ihren Ruf rechtfertigen.

Entsprechend ihren im Pokalwettbewerb nachgewiesenen K.o.-Qualitäten versuchten beide Seiten erst gar nicht, in Habachtstellung zu verharren. „Beide Teams wollten unbedingt gewinnen, das hat man gespürt“, bestätigte Gästetrainer Lucien Favre, der 2007 mit Hertha BSC in Frankfurt seine Bundesligapremiere mit 0:1 verloren hatte. Mit dem Anstoß stürmten die Gäste sofort auf Makoto Hasebe zu und untermauerten nach kaum 20 Sekunden ihre Ambitionen. Immerhin hatte der BVB zuvor sämtliche Top-Fünf-Vergleiche für sich entschieden. Auch die Eintracht attackierte in der restlos ausverkauften Commerzbank-Arena alles was sich bewegte und hätte nach drei Minuten fast in Führung liegen müssen, als Danny Da Costa in Roman Bürki seinen Meister fand. Mit Ausnahme der „20 Minuten, in denen wir zu viel zugelassen haben“, wie Sebastian Rode die Begegnung mit seinem vorherigen Klub analysierte, präsentierten sich die Hessen spätestens wieder in der zweiten Halbzeit taktisch auf Ballhöhe – und insgesamt auf Augenhöhe.

Doppelt hält besser

Natürlich wusste nicht nur Rode, dass „wir zu diesem Zeitpunkt froh sein konnten, nicht höher in Rückstand gelegen zu haben. Dann ist der BVB in der Lage, mit seinen schnellen Spielern jeden Gegner auseinanderzunehmen.“ Tat er aber nicht, weil Reus entweder an der Latte oder an Torwart Kevin Trapp scheiterte. Ein Schicksal, das auf der Gegenseite später auch dem spielfreudigen Ante Rebic widerfahren sollte. Mit Ausnahme der Durchschnittsgeschwindigkeit von 7 zu 6,8 Km/h zugunsten der westfälischen Wirbelwinde behielt die Eintracht in sämtlichen weiteren Laufdisziplinen die Oberhand. Intensive Läufe: 12,7 Kilometer. Sprintdistanz: 5,7 Kilometer. Schnelle Läufe: 6,9 Kilometer. Dazu 757 intensive Läufe, 279 Sprints, 478 schnelle Läufe und eine Gesamtdistanz von 118,7 Kilometern taten ihr Übriges. Bemerkenswert nicht zuletzt die Darbietung der Doppelsechs, auf der neben Rode wieder Gelson Fernandes auflief. Der Schweizer kehrte gleich in doppelter Hinsicht zurück: Als Abräumer sowie Kapitän für den verletzten David Abraham. Die beiden Laufwunder spulten jeweils 12,84 Kilometer ab – an diesem Spieltag absolute Ligaspitze!

Für besagten Abraham absolvierte mit Martin Hinteregger eine weitere Winterleihgabe ein unaufgeregtes Debüt, zumal er als Linksfuß auf der ungewohnten rechten Seite auflief. Links durfte Evan Ndicka wieder von Beginn an ran. Insofern war auch die Innenverteidigung doppelt neu. Gerade die Halbverteidiger waren von essentiellem Wert, wenn es darum ging, ihre unterzähligen Kollegen auf den Außenbahnen gegen die schwarz-gelbe Flügelzange zu unterstützen. Mit Ausnahme des zum Rückstand führenden Solos von Raphael Guerreiro mit Erfolg. Der stürmische Linksverteidiger Achraf Hakimi, mit 35,1 km/h der schnellste Spieler der Hinrunde, blieb ebenso blass wie auf der Gegenseite Jadon Sancho, mit neun Assists der beste Vorlagengeber der Liga und nach knapp einer Stunde für Christian Pulisic ausgewechselt.

„Wollten nachlegen“

Coach Hütter hingegen beließ es bei einem Tausch, als der mit Magenbeschwerden in die Partie gegangene Jovic nach seinem 14. Saisontor für Mijat Gacinovic wich. Wie abends aufgeklärt werden sollte, musste sich der Balkan-Bomber bei der Wahl zum Tor des Jahres mit 11,5 Prozent hinter Nils Petersen einreihen. Im Nachhinein der Fluch der guten Tat als einziger doppelt nominierter Torschütze des Monats. Sein serbischer Landsmann fügte sich im zentralen offensiven Mittelfeld nahtlos ein, isolierte geschickt einen der beiden Aufbauspieler, Thomas Delaney oder Axel Witsel, und ließ sich situativ fallen, um quasi eine Triple-Sechs zu bilden.

Sein Abfangjäger Rode bekräftigte nach dem 1:1: „Am Ende hatten wir mehr Ballbesitz und wollten nachlegen.“ Dass ein Sieg nach Rückstand oder gegen ein Team aus der oberen Tabellenhälfte wieder nicht gelang, war hinterher alles andere als ein Makel. Für Hütter war vielmehr entscheidend, „gegen die aktuell stärkste Mannschaft Deutschlands uns im Rahmen unserer Möglichkeiten gut gewehrt“ zu haben. Die Grundlage für die kommenden Wochen ist gelegt. Der Maßstab auch.