22.06.2019
Historie

„…sonst säßen wir heute nicht hier“ – Auf den Spuren zweier Helden

Uwe Bindewald und Alex Schur sind auch nach ihrer Karriere schwer losgelöst voneinander zu betrachten: Ob im regelmäßigen Einsatz für die Traditionsmannschaft oder auch als Trainergespann.

Hallo Uwe, beschreibe uns doch mal deinen Weg bei der Eintracht?
Bindewald: Ich habe mich über die Jugend und Amateure hochgearbeitet, bin dann irgendwann zu den Profis gestoßen und durfte da ein bisschen mitkicken. Das hat richtig Spaß gemacht, da habe ich mir gedacht: „Dann kick ich nochmal ein paar Jahre“. Dann sind es am Ende doch 15 Jahre geworden, das war bislang eine richtig schöne Zeit bei der Eintracht.

Du warst in der Saison 1991/92 ein Teil der Mannschaft und somit hautnah dabei, als gegen Hansa Rostock am letzten Spieltag die sicher geglaubte Meisterschaft verspielt wurde. Wie blickst du auf diese Saison zurück?
Bindewald: Richtig, ich habe damals bei der verlorenen Meisterschaft mitspielen dürfen. Je älter man wird, desto trauriger wird die ganze Geschichte, wenn man realisiert wie nah wir dran waren. Letztendlich macht es einen immer noch sehr traurig, die Meisterschaft damals nicht geholt zu haben.

Nun zu dir, Alex: Wie bist du bei der Eintracht gelandet?
Schur: Ich habe zunächst bei Rot-Weiß Frankfurt und anschließend beim FSV gespielt. Charly Körbel hat mich damals zu den Amateuren der Eintracht geholt. Dann ist die Eintracht allerdings zum ersten Mal abgestiegen. Danach ging natürlich der Ausverkauf der Mannschaft los und man hat versucht, der Mannschaft über die Amateure etwas Qualität zuzuführen, auch ein bisschen Feuer und Leidenschaft.

Kannst du dich noch an dein erstes Spiel bei den Profis erinnern?
Schur: Ja, das Seltsame an der Geschichte war, dass ich bei den Amateuren eigentlich nie so viele Chancen bekommen und in keinem Spiel ein Tor erzielt habe. Gleich im ersten Spiel bei den Profis gegen Gütersloh dann aber das 1:1 erzielte und im zweiten Spiel zuhause gegen Essen auch getroffen habe. Durch diesen Zufall, dass ich in zwei Spielen zwei Tore erzielt habe, war ich dann auch fester Bestandteil des Teams.

Mit 24 Jahren war dein Debüt bei den Profis vergleichsweise spät. Macht man sich in den Jahren zuvor Gedanken, was aus einem wird, falls es nicht mit dem Fußball klappen sollte?
Schur: Das war ein ziemlich komisches Alter. Ich war auch, ganz ehrlich, ein wenig im Zwiespalt. In Wiesbaden hatte ich schon ein Bauingenieur-Studium angefangen. Ich hatte schon einige Scheine geschrieben und war mir eigentlich sicher, dass in dieser Richtung meine berufliche Zukunft liegt. Dann muss man sich natürlich überlegen, ob man mit 24 nochmal in den Profifußball einsteigt. Die Eintracht bot mir dann einen Zweijahresvertrag und ich habe mir gedacht: „Jetzt hast du die Möglichkeit, deinen Traum zu leben und du wirst es dir immer vorwerfen, wenn du dich jetzt nicht für die Fußballkarriere entscheidest.“ Deswegen habe ich einfach mal zehn Jahre meinen Traum gelebt. Es hat funktioniert und deshalb bin ich überglücklich, dass ich die Entscheidung so getroffen habe.

Durch deinen Treffer in allerletzter Sekunde gegen den SSV Reutlingen verdankt dir die Eintracht einen der spektakulärsten Aufstiege in die Bundesliga. Wie ist dir dieses magische Tor in Erinnerung geblieben?
Schur: Im Prinzip war es kein schönes Tor, wenn man nur das Tor losgelöst von allem anderen betrachtet. Aber ich denke, es war mein wichtigstes Tor. Das war einfach eine unglaublich wichtige Saison für Eintracht Frankfurt. Wir haben als Team ein super Jahr gespielt.

Uwe, was waren deine schönsten Momente im Trikot der Eintracht?
Bindewald: Ich hatte schon ein paar schöne Momente. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass ich aus einem Handwerksberuf komme, gearbeitet und nebenher noch Fußball gespielt habe. Ich glaube, das würde heute gar nicht mehr funktionieren. Die Jugendlichen unserer Zeit hören meist früh mit der Schule auf und fokussieren sich auf den Fußball. Das war bei mir ein bisschen anders. Dann ist es einfach umso schöner, wenn man vom Bau runterkommt und dann irgendwann Profi wird. Es gibt natürlich auch negative Momente, aber die machen einen auch stark. Wenn wir kritisiert wurden, war das damals noch schlimmer als heute. Aber das haben wir weggesteckt. Letztendlich überwiegen dann doch die Aufstiege, die Nichtabstiege und besondere Spiele wie im Europapokal. Ich kann deswegen Situationen von heute genau nachvollziehen, weil ich sie in ähnlicher Form selbst erlebt habe. Wie die Fans hier gehyped werden, ist einfach stark. Es lohnt sich, dafür zu leben, dafür zu kämpfen, vor 50.000 Leuten einzulaufen, das war vielleicht zu unserer Zeit nicht so häufig der Fall gewesen, aber es ist vorgekommen. Dafür lohnt es sich, auch mal nicht auf eine Feier zu gehen und zwei, drei Bier weniger zu trinken. Letztendlich bin ich sehr dankbar für alles, was ich erleben durfte und darauf basierend heute dieses Interview geben darf.

Ihr habt ja beide ein paar Jährchen bei der Eintracht verbracht. In der heutigen Zeit ist sowas eher eine Seltenheit geworden. Was waren für euch wichtige Faktoren, die ausschlaggebend waren um in Frankfurt zu bleiben?
Schur: Im Prinzip sind wir beide Typen, die ihre Kraft und Energie aus der Familie ziehen, weshalb es schwer ist, sich abseits der Familie wohlfühlen zu können. Wenn ein Fußballer sich nicht wohl fühlt, kann er keine Leistung bringen. Natürlich denkt man manchmal darüber nach, gerade in weniger guten Phasen, das ist ganz normal und menschlich. Aber am Ende hat immer die Heimat gesiegt. Die Verwurzelung mit dem Umfeld ist dermaßen stark in uns, dass wir sagen: Wenn wir uns dem entzogen hätten, wären wir nicht mehr die gleichen Fußballer. Deswegen sind wir der Eintracht treu geblieben. Zumindest für mich war ein weiterer Grund, dass ich nie diese ganz großen Angebote hatte, wo ich vielleicht doch nochmal ins Grübeln hätte kommen können. Letztendlich ist es schön, dass wir hiergeblieben sind. Wie Uwe richtig gesagt hat: Sonst säßen wir heute nicht hier.

Uwe, wie wichtig ist dir die Eintracht im Laufe der Jahre geworden?
Bindewald: Ich könnte mir ein Leben ohne die Eintracht gar nicht mehr vorstellen, wüsste gar nicht mehr, was ich machen sollte. Es gibt ja immer auch Spieler, die den Adler küssen, wenn sie ein Tor gemacht haben. Ich glaube, der Adler ist irgendwo hier drin (deutet auf seine Brust), wie ein Tattoo fest im Herzen eingebrannt. Das ist Eintracht Frankfurt.