26.11.2020
Historie

„Trimmel wird einiges zu tun bekommen...“

In Berlin geboren, in Frankfurt in achteinhalb Jahren 257 Spiele absolviert, 2017 bei Union die Profikarriere beendet. Fußball spielt Benjamin Köhler auch mit 40 Jahren regelmäßig.

Benny, als gebürtiger Berliner hast du deine längste Zeit als Fußballprofi in Frankfurt verbracht. Wo fühlst du dich zu Hause?
Richtig, bei der Eintracht hatte ich sicher meine erfolgreichste und längste Zeit und fühle mich dem Verein weiter verbunden. Ich war damals 23 oder 24, das heißt, ich bin zwar in Frankfurt groß geworden, aber nicht aufgewachsen. Deshalb würde ich von meiner zweiten Heimat sprechen... (Stimme aus dem Hintergrund) Meine Frau sagt gerade „erste Heimat“ (lacht). Ihre Familie kommt von hier, deshalb sind wir weiter alle sechs bis acht Wochen in Frankfurt und besuchen auch alte Freunde.

Welche Erinnerungen verbindest du mit der Eintracht?
Überwiegend schöne, was sich zwar nicht an Meisterschaften oder Titeln festmachen lässt. Aber Erlebnisse wie die Teilnahme am UEFA-Cup, das DFB-Pokalfinale, aber auch den unerwarteten Abstieg 2011 vergisst man nicht. Zumal hier alles fast familiär zuging und ich mich mit vielen Menschen auch privat gut verstanden habe. Kevin Trapp, Timothy Chandler, Christoph Preuß oder Alex Meier sind ja heute noch oder wieder im Verein. Deshalb verfolge ich die Entwicklung der Eintracht weiter intensiv.

Wie bewertest du die Entwicklung in den vergangenen Jahren?
Eingeprägt haben sich zuletzt die beiden Spielzeiten im Europapokal, als die Eintracht weit gekommen ist und mit ihrem Stil auch in Deutschland ihren Stempel aufgedrückt hat, indem die Mannschaft über sehr viel Kampf kommt, sehr fit wirkt und spät Spiele drehen kann. Es macht immer wieder Spaß zuzuschauen. Bemerkenswert finde ich, dass fast jedes Jahr viele Spieler gewechselt sind, was die Verantwortlichen immer kompensieren konnten. Auch wenn es nicht für ganz oben reicht, beweist die Mannschaft, gegen fast jeden Gegner mithalten zu können. Tabellarisch gesehen ist Frankfurt am Samstag ja fast Außenseiter (schmunzelt).

Was macht Union Berlin derzeit so stark?
Zunächst geht es für sie immer um den Klassenerhalt. Das erste Jahr in der Bundesliga war von einer kleinen Schwächephase abgesehen überragend. Man sagt ja, das zweite Jahr sei immer das schwerste, trotzdem haben sie nur das erste Spiel verloren und seitdem regelmäßig gepunktet. Hinzu kommen erfahrene und namhafte Neuzugänge, von denen man nicht unbedingt gerechnet hätte, dass sie zu Union kommen würden. Das Trainerteam um Urs Fischer ist verantwortlich dafür, dass die Spielertypen ins System passen. Max Kruse ist überragend drauf, immer für ein Tor oder eine Vorlage gut, zwar nicht der Schnellste, aber extrem clever. Grundsätzlich kommt Union über Kampf und Wille, macht die Räume eng, kassiert wenige Gegentore und macht es jedem Gegner schwer, gerade an der Alten Försterei. Wenn erstmal die Basics klappen, steigt mit dem Selbstvertrauen auch die spielerische Leichtigkeit und Mannschaften wie der FCU können über sich hinaus wachsen.

Frankfurt lässt sich erfahrungsgemäß nichts gefallen und wird über Kampf und Willen kommen.

Benjamin Köhler

Wechseln wir kurz das Spielfeld und werfen einen Blick auf die Coronasituation in der Hauptstadt.
Wie eigentlich überall können wir derzeit nicht viel machen und leben in den Tag hinein. Immerhin dürfen die Kinder zur Schule beziehungsweise Kita. Ich nutze die Zeit deshalb, um viel Sport zu machen und mich um die Familie zu kümmern. Zum Glück kann ich sagen, dass mein direktes Umfeld bisher vom Virus verschont geblieben ist.

Viel Sport bedeutet, dass das Knie hält?
Ja, alles in Ordnung, ich trainiere aktuell viermal pro Woche im Fitnessbereich, Fußball geht auch. Sofern der Trainingsbetrieb möglich ist, spiele ich seit dieser Saison für die Ü32 von Hertha BSC, die in diesem Bereich auch Ambitionen hegen. Los ging’s zuvor für Spandau, als ein Freund und Anwalt viele seiner Mandanten, überwiegend Ex-Profis, zusammengeführt hat, die weiter Spaß am Fußball haben. Nachdem es in der Vorsaison so gut lief, ist dann fast das komplette Team zur Hertha gewechselt.

Wie läuft es neben dem Sportlichen beruflich?
Das Eiscafé, das ich 2018 eröffnet hatte, habe ich leider im August schließen müssen. Es kamen viele Dinge zusammen, am Ende auch Corona. Von daher war es im Nachhinein fast gut, dass wir kein zweites Café eröffnet haben. Aktuell habe ich ein, zwei Ideen im Kopf, die ich mit einen Freund umsetzen möchte, auch wieder im gastronomischen Bereich. Aber darum kümmern wir uns konkret im Frühjahr, wenn hoffentlich wieder alles in geordneten Bahnen läuft.

Was erwartest du am Samstag für ein Spiel?
Bitte lasst mich nicht tippen (lacht)! Aber ich denke, es wird ein typisches Union-Spiel, in dem es zur Sache gehen wird. Aber auch Frankfurt lässt sich erfahrungsgemäß nichts gefallen und wird über Kampf und Willen kommen. Deshalb könnte es schon ein geiles Spiel werden. Die Form spricht eher für Union, wenngleich sie derzeit am Limit spielen und einige Verletzte haben. Gut für die Eintracht, dass Kostic zurück ist, Trimmel wird auf seiner Seite sicher einiges zu tun bekommen...