21.06.2019
Historie

„Historie einmal vor Augen führen“ – Uwe Bein spricht über 120 Jahre Eintracht Frankfurt

Uwe Bein hat sich in Frankfurt als Meister des tödlichen Passes einen Namen gemacht. Als Höhepunkt gilt der Weltmeistertitel 1990. Heute fungiert Bein als Markenbotschafter für den Verein.

Uwe, du bist damals von Kickers Offenbach über Köln und Hamburg zur Eintracht gekommen. Was war ausschlaggebend dafür, dass du diesen Schritt gegangen bist?
Der entscheidende Punkt war, dass ich ein schlechtes Jahr in Hamburg hatte und danach ein relativ gutes. Der HSV wollte zwar meinen Vertrag verlängern, aber zu Bedingungen, die nicht akzeptabel waren. Dann kam der Anruf von Bernd Hölzenbein, der mich letztlich überzeugt hat. Er hat mir erzählt, was er vorhabe: Ehemalige hessische Spieler nach Frankfurt zu holen und versuchen, eine neue Mannschaft aufzubauen. Das war für mich in Ordnung. Dementsprechend habe ich ihm auch mehr oder weniger direkt zugesagt.

Wie war denn damals das Standing der Eintracht in Deutschland verglichen mit anderen Mannschaften?
Ich bin 1989 gewissermaßen zu einem zeitlichen Wendepunkt zur Eintracht gekommen. Denn kurz zuvor hatte die Eintracht in der Relegation gegen Saarbrücken gerade so den Klassenerhalt geschafft. Für mich war das eine Zitterpartie, denn wäre die Eintracht abgestiegen, hätte ich in der zweiten Liga spielen müssen. Dann würde ich wahrscheinlich heute nicht hier sitzen und meine Karriere wäre ganz anders verlaufen. Ich wäre sicherlich auch nicht mit zur WM gefahren.

Wie angesprochen bist ein Jahr später zur WM gefahren und wurdest Weltmeister. Welche Erinnerungen schweben noch vor dir?
Alle aufzuzählen, dafür würde die Zeit kaum reichen. Natürlich ganz eindeutig erst die Nominierung für den Kader, dann das erste WM-Spiel. Aber auch paar traurige Dinge, etwa im Finale nicht gespielt zu haben und im Halbfinale verletzt gewesen zu sein. Eine riesen Geschichte war der Empfang am Römer. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Menschen hier waren, die uns vom Flughafen bis zum Römer begleitet haben.

Siehst du Parallelen zum Pokalsieg im vergangenen Jahr, als der Mannschaft 15.000 Menschen auf dem Römer und hunderttausende in der Stadt zugejubelt haben. Kommen dabei vergleichbare Gefühle in dir hoch?
Die Abläufe lassen sich tatsächlich vergleichen. Die aktuelle Mannschaft ist von Berlin, wir damals von Rom nach Frankfurt geflogen. Beide hatten einen sensationellen Empfang bei schönem Wetter, das war einfach genial. Wie ich jetzt auch die Bilder am Römer gesehen habe, von unseren Jungs, das waren Parallelen, die automatisch Erinnerungen an die Erlebnisse von 1990 hochkommen lassen.

Ihr habt in den neunziger Jahren noch ein Mythos entstehen lassen. Den Fußball 2000 mit Yeboah, Okocha und dir. Ließe sich eure Dreierclique mit der Balkan-Crew aus der vergangenen Saison vergleichen?
Nein, überhaupt nicht. Das ist eine ganz andere Zeit gewesen, in der ein ganz anderer Fußball gespielt wurde. Ich glaube, wir haben damals mit unserer Mannschaft eine sehr gute Zeit gehabt, sie aber leider nicht gekrönt. Dafür haben wir ungefähr vier Jahre hintereinander einen europäischen Wettbewerb erreicht, was zur damaligen Zeit natürlich auch eine tolle Leistung war. Man muss einfach den Hut davor ziehen, was die derzeitige Mannschaft in den vergangenen beiden Jahren für Eintracht Frankfurt geleistet hat.

Du hast eben erwähnt, dass ihr das Ganze 1992 hättet krönen können. Wie präsent ist das noch in deinem Kopf, spielt das heutzutage noch eine Rolle und wirst du noch darauf angesprochen?
Wie die Frage zeigt, offenbar schon. (lacht) Es kommt immer mal wieder vor, dass man bei einem Interview oder einer Veranstaltung darauf angesprochen wird. Ich sage es aber immer wieder: Wir haben die Meisterschaft nicht in Rostock verloren, sondern in den beiden Heimspielen davor, wo wir beides mal unentschieden gespielt haben, in denen es auch zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen gegeben hat. Es gibt im Sport sehr schöne, aber auch sehr traurige Zeiten, Siege und Niederlagen. Damit muss man als Sportler umgehen. Ich glaube, wir sind damit gut umgegangen, daher macht es mir heute nichts mehr aus, darüber zu reden.

Zuletzt herrschte eine große Einheit in der Mannschaft, was 1992 nicht unbedingt der Fall gewesen sein soll. Meinst du, die Mannschaft hätte gewinnen können, wenn ihr wirklich zusammengehalten und Eintracht geherrscht hätte?
Das ist falsch, wir haben nicht gegeneinander gearbeitet auf dem Platz oder beim Training. Außerhalb des Platzes war es vielleicht so, dass nicht jeder mit jedem zu tun haben wollte. Aber das hat sich auf dem Platz nicht widergespiegelt, im Gegenteil. Auf dem Platz haben wir die Leistung abgerufen, die wir von uns erwartet haben. Dass es am Ende nicht geklappt hat, hatte mit mehreren Faktoren zu tun. 

Um nochmal auf den Fußball 2000 zurückzukommen: Wie haben deine Trainer Berger und Stepanovic diesen Mythos geprägt, wie haben sie euch geholfen und was hatten sie für einen Einfluss?
Ich denke, alle Trainer, die zu jenem Zeitpunkt die Mannschaft geführt haben, sei es Jörg Berger, „Stepi“ oder Klaus Toppmöller, jeder hat seinen Teil dazu beigetragen und hatte das richtige Händchen, um die Mannschaft zu führen. Dementsprechend hatten wir vier Jahre auch tollen Erfolg.

Du bist bereits eine sehr lange Zeit mit der Eintracht verbunden, jetzt auch als Markenbotschafter. Was war der schönste Moment, den du mit der Eintracht hattest?
Die Europapokalspiele mit der Eintracht waren schon in meiner Zeit, als ich gespielt hatte, etwas Besonderes. Ganz besonders war für mich das Finale 2018 in Berlin, wo ich mitgefiebert habe, als hätte ich selber gespielt. Das war einfach das geilste Erlebnis.

Es gab den Spruch „Woran erkennt man, dass Freitag ist? Uwe Bein ist im Training.“ Wie kam es denn dazu?
Man muss dazu die Vorgeschichte kennen: Ich hatte eine Knochenhautentzündung am Spannen des linken Fußes und mich in Absprache mit dem Trainer die ganze Woche über behandeln lassen. Ich habe nur ein bisschen Lauftraining gemacht oder war ein bisschen Fahrrad fahren. Heinz Gründel hat dann irgendwann gesagt „Heute ist Freitag, der Uwe kommt wieder.“ Es wussten auch nicht viele, dass ich verletzt war. Daraus ist der Spruch entstanden. Schade ist natürlich ein bisschen an der Geschichte, dass es so ein bisschen ins Lächerliche gezogen wurde. Ich musste nach der Saison aus diesem Grund auch die Europameisterschaft absagen. Berti Vogts hatte mir das damals nicht wirklich abgenommen.

Aber jetzt mal zu einem positiven Spruch: „Der Pass war Bein“, als Ausdruck eines perfekten Passes, der gespielt wird. Ehrt es einen, wenn man von Frankfurt-Fans oder von Fans in ganz Deutschland mit so einem Ausdruck beehrt wird?
Also zuerst mal ist es etwas ganz Besonderes, wenn Franz Beckenbauer im Zuge der Nationalmannschaft gesagt hat: „Uwe Bein spielt einen tödlichen Pass.“ Ich glaube, das ist eine Auszeichnung, die nicht so viele Spieler bekommen haben. Wenn ein Frankfurt-Fan sagt, „der Pass war Bein“, dann ehrt das einen schon und es macht mich auch ein bisschen stolz.

An der U-Bahn-Haltestelle am Willy-Brandt-Platz wurde dir für dein besonderes Standing im Verein in der Reihe vieler anderer Legenden ein Denkmal gesetzt. Was ist es für ein Gefühl, dort seine eigene Säule zu haben?
Ich denke, das bestätigt, dass ich in der Zeit, in der ich hier gespielt habe, sehr gute Leistungen und sehr gute Arbeit abgeliefert und bei den Eintracht-Fans einfach ein hohes Standing erlangt habe, das auf diese Weise honoriert wurde.

Du bist als Markenbotschafter immer noch mit der Eintracht verbunden. Wäre ein Leben ohne die Eintracht für dich überhaupt vorstellbar?
Aktuell nicht, weil ich seit ich Markenbotschafter bin natürlich noch ein bisschen näher dran bin, auch zu den Auswärtsspielen fahre und bei Heimspielen sowieso präsent bin. Ich lebe einfach für den Verein und den Fußball. Es macht einen natürlich stolz, wenn man so eine Position bekleiden und den Verein auf diese Weise unterstützen darf.

Was macht die Eintracht für dich aus, wie würdest du Frankfurt beschreiben?
Man hat ja immer von der launischen Diva gesprochen, aber diesen Ruf ist der Verein losgeworden. Die Eintracht hat eine Historie, die sich jeder einmal vor Augen führen sollte. Dieser Verein lebt und ich bin stolz, dass ich für ihn spielen durfte.