Jeder Fußballer muss hart arbeiten
Almamy, lass uns mal ziemlich weit vorne in deinem Leben anfangen. Im Alter von fünf Jahren bist du von Mali nach Paris gezogen. Wie bist du dort aufgewachsen?
Ich bin bei meiner Schwester in Paris aufgewachsen, nachdem meine Eltern wieder zurück nach Mali gezogen sind. Mein älterer Bruder hat damals Fußball gespielt und mich beim ortsansässigen Verein angemeldet. Für mich ist es dort sehr gut gelaufen, deshalb bin ich anschließend zum FC Bourget gewechselt. Dort habe ich fünf Jahre verbracht und mich als Fußballer entwickelt. In dieser Zeit bin ich einem Scout aus Monaco aufgefallen, der unsere Spiele besucht hat.
Mit 14 Jahren bist du dann zur AS gewechselt.
Normalerweise ist der Eintritt ins Nachwuchsleistungszentrum erst mit 15 Jahren möglich. Durch einen Zufall durfte ich aber bei Monacos U17 mittrainieren, mein Rückflug war damals ausgefallen. Dem Trainer hat offenbar gefallen, was er von mir gesehen hat, denn er hat mit seinem Kaderplaner gesprochen und sich dafür eingesetzt, dass ich ein Jahr früher einsteigen konnte. Dadurch war ich anfangs in einer höheren Altersklasse unterwegs.
Welche Bedeutung hatte der Fußball damals für dich?
Eine sehr große. Ich bin vor der Zeit in Monaco in Paris ganz normal zur Schule gegangen. Die Freundschaften, die ich dort geschlossen habe, halten bis heute. Wir haben die Leidenschaft für den Fußball geteilt und in den Pausen ausgelebt. Auf der weiterführenden Schule haben wir dann auch mal „blau“ gemacht, um draußen Fußball zu spielen. Ich habe dort viel gelernt und bin als Mensch gereift.
Wer hat in deiner Familie noch Fußball gespielt?
Alle Männer, auch mein Vater. In Paris habe ich immer in meinem Viertel gespielt. Ich hatte schon als kleiner Junge ein ganz gutes Niveau, sodass mich auch die Großen immer gerne in ihr Team gewählt haben. Es war sehr förderlich für meine Ausbildung, dass ich schon im zarten Kindesalter mit den Größeren gespielt habe.
Welche Werte haben dir dein Bruder, der dich im Verein angemeldet hat, und dein Vater mitgegeben?
Jeder Fußballer muss hart arbeiten und darf niemals lockerlassen. Das Wichtigste dabei ist die mentale Komponente, niemals aufzugeben. Mein Vater hat mir immer gesagt, dass man sehr diszipliniert und arbeitswillig sein muss. Ich glaube, das hat mich positiv geprägt. Es ist sehr wichtig, dass man im Training alles mitmacht und immer voll durchzieht.
Wie hast du in Monaco Schule und Fußball unter einen Hut gebracht?
Wir hatten direkt am Nachwuchsleistungszentrum eine Schule, ein Lehrer hat uns alle gemeinsam unterrichtet. Zu Beginn waren wir immer zu acht. Später waren es dann weniger, weil wir in unterschiedliche Niveaustufen unterteilt wurden und unterschiedliche Fächer gewählt haben. Die Lehrer waren streng, aber sie haben den Fußball respektiert. Ich saß damals mit den gleichaltrigen Jungs im Unterricht, aber trainiert habe ich mit den Älteren. Weil ich deshalb manchmal den Unterricht verlassen musste, wurden später ein paar Anpassungen an meinem Tagesablauf vorgenommen. Trotzdem habe ich die Schule fortgesetzt und mein Abitur abgeschlossen. Im Anschluss bin ich zur Profimannschaft gestoßen. In der Schule war ich „der Mann mit den zwei Gesichtern“. Einerseits habe ich den Unterricht mit meinen Beiträgen vorangebracht, auf der anderen Seite habe ich auch ab und zu mal ein Störfeuer gelegt. Allgemein hatte ich ein gutes Verhältnis zu meinen Lehrern, aber das ein oder andere Mal bin ich im morgendlichen Unterricht eingeschlafen (lacht).
Wie verlief dein Weg vom Nachwuchs- zum Champions-League-Spieler?
Bei Monaco hat alles sehr gut angefangen, da ich meiner Zeit immer ein Jahr voraus war. Ich habe mich sehr schnell weiterentwickelt und konnte früh meinen ersten Profivertrag unterschreiben. Mit der Ankunft von Leonardo Jardim als Cheftrainer [von 2014 bis 2018 und nach Thierry Henry auch 2019; Anm. d. Red.] bin ich schnell zur ersten Mannschaft gestoßen. Ich habe mich gut angepasst und durfte im Februar 2015 im Pokal gegen Stade Rennes mein Debüt geben – in meinem ersten Spiel bin ich direkt auf Gelson Fernandes getroffen (lacht).
Wer hat den Platz als Sieger verlassen?
Wir haben die Partie durch drei Standardtreffer mit 3:1 für uns entschieden. Das Tor zum 1:0 habe ich erzielt. Das war ein sehr erfolgreiches erstes Spiel. Wenige Tage später saß ich in der Ligue 1 im Derby gegen Nizza auf der Bank und Layvin Kurzawa musste verletzt ausgewechselt werden. Der Rechtsverteidiger Fabinho ist dann auf die linke Seite gewechselt und ich habe seine Position eingenommen. Wir haben das Spiel mit 1:0 gewonnen. Wiederum einige Tage später mussten wir in der Champions League beim Arsenal FC ran und Jérémy Toulalan fehlte gelbgesperrt. Ich durfte für ihn einspringen und in meinem dritten Profispiel im Emirates Stadium auflaufen. Auch das Spiel haben wir mit 3:1 für uns entschieden, ich hatte also drei erfolgreiche erste Spiele (lacht). Danach habe ich in der Mannschaft Fuß gefasst und es ist sehr gut für mich gelaufen. Ich war jung und kein Stammspieler. Aber der Trainer wusste, dass er mich jederzeit einsetzen kann.
Welche Erinnerungen hast du an die Saison 2016/17, in der die AS Monaco erstmals nach 17 Jahren wieder Französischer Meister wurde?
Wir sind die Saison über gefühlt über das Wasser gelaufen. Wir haben uns immer wieder gefragt, wie wir so manches Spiel auch noch gewinnen konnten (lacht). Wir lagen in vielen Partien zurück, teilweise bis kurz vor Schluss, und haben diese trotzdem gedreht. Bis zum Ende der Saison war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Paris Saint-Germain um die Meisterschaft. Es war alles andere als leicht, sich gegen sie durchzusetzen, denn Paris hatte eine extrem starke Mannschaft. Ausgerechnet unser Erzfeind Nizza hat ihnen dann Punkte abgenommen, was uns einen kleinen Vorsprung verschafft hat. Den haben wir uns nicht mehr nehmen lassen.
Eine nicht so schöne Erinnerung war sicherlich die Partie in Dortmund, die wegen des Bombenanschlags auf den BVB-Mannschaftsbus verschoben wurde. Wie hast du diesen Abend erlebt?
Das hat uns betroffen gemacht. Wir hatten natürlich nicht damit gerechnet. Wir waren voll im Tunnel und auf das Spiel fokussiert, als uns in der Kabine die Nachricht erreicht hat, dass wir dort bleiben und auf weitere Anweisungen warten sollten. Das sind Dinge, die man nie sehen will. Man muss aber professionell bleiben und sich auf das Sportliche konzentrieren, das sehr gut für uns lief. Wir sind weitergekommen, aber der Rahmen war sehr traurig.
Im Januar 2019 hast du dich der Eintracht angeschlossen. Was hast du dir von diesem Wechsel nach Frankfurt erhofft?
Ich bin mit dem Ziel gekommen, möglichst viel Spielpraxis zu sammeln und mich weiterzuentwickeln. Mein Wechsel war in gewisser Weise ein Vorgriff auf die anschließende Saison. Ich habe hier meine ersten Bundesligaspiele absolviert, worüber ich sehr glücklich bin. Die darauffolgende Saison sollte eine Bestätigung meiner bisherigen Leistung sein. Es war für mich auch wichtig, etwas dazuzulernen und mich dem Spielrhythmus anzupassen. Das waren aber nur Zwischenziele, ich möchte mich weiter verbessern. Ich bin sehr froh, dass ich den Schritt zur Eintracht gewagt habe.
Nach deinem Wechsel bist du zunächst nicht für den Europa-League-Kader nominiert worden, die Eintracht hatte das Sechzehntelfinale gegen Donetsk vor der Brust. Wie bist du damit umgegangen?
Ich hatte mir damals erhofft, auf die Liste gesetzt zu werden, weil zum neuen Jahr auch immer neu nominiert wird. Ich bin aber relativ spät zur Mannschaft gestoßen, deshalb war das für mich nachvollziehbar. Es stellte sich dann heraus, dass die Liste nicht mehr geändert werden konnte, nachdem sie im Januar verabschiedet wurde. Ich habe mich dann darauf konzentriert, mich einzugewöhnen und fit zu werden. Natürlich war ich enttäuscht, da es toll gewesen wäre, bei diesen Spielen und Erlebnissen mitzumischen. Auf der anderen Seite habe ich mich für die Mannschaft gefreut. Obwohl ich nicht direkt dabei war, war es für mich eine optimale Vorbereitung auf die anschließende Europa-League-Saison. Wenn du so erfolgreich bist, ist eine super Stimmung in der Kabine und man möchte so etwas unbedingt noch einmal schaffen.
Welche Unterschiede hast du zwischen der Ligue 1 und der Bundesliga ausmachen können?
In Deutschland ist das Spiel viel vertikaler. Die Trainer wollen, dass man den Weg nach vorne sucht, zudem wird viel Wert auf das Umschaltspiel gelegt. Der Spielrhythmus ist deutlich intensiver, Pressing spielt eine große Rolle und die Spiele sind umkämpfter. In der Ligue 1 sind die Partien rasanter und die Intensität ist größer. Wir Franzosen bringen das kämpferische Element mit, das hilft uns in der Bundesliga ungemein.
Dein erstes Tor für die Eintracht gegen Leipzig über ein Jahr nach deinem Wechsel aus Monaco hast du in einem Interview als Erlösung bezeichnet. Weshalb?
Ich habe bei Monaco das eine oder andere Tor geschossen und auch seit meinem Wechsel zur Eintracht hatte ich ein paar gute Möglichkeiten. Trotzdem bin ich meinem ersten Bundesligator eine Weile hinterhergelaufen. Das Spiel gegen Leipzig war der ideale Zeitpunkt für dieses Tor, Leipzig war zu der Zeit Tabellenführer. Der Ball kam zu mir und ich habe nicht lange gefackelt, sondern einfach alles in den Schuss reingeworfen. Ich war überglücklich, als der Ball dann oben eingeschlagen ist. Das war eine richtige Gefühlsexplosion. Einfach schön. Ich hoffe natürlich, dass dieses erste Tor nicht mein letztes bleibt (lacht).
Zu welchen Spielern in der Mannschaft hast du den besten Draht?
Allgemein bin ich ein eher ruhiger Zeitgenosse, sodass ich mit jedem gut auskomme und mich verständigen kann! Trotzdem habe ich natürlich den besten Draht zu den französischsprechenden Jungs, also zu Evan und bis zuletzt Gelson. Aber auch mit Djibi verstehe ich mich sehr gut.
Gibt es etwas, das du an Frankreich vermisst?
In Frankreich gehe ich sehr oft mit meinen Freunden ins Kino. Das ist zu einer großen Leidenschaft geworden. Mir gefällt das ganze Drumherum an einem Kinobesuch, für mich ist das in gewisser Weise ein Event. In Frankfurt war ich erst zwei Mal im Kino. Beim letzten Mal waren Jonny, Lucas, Gonca und Djibi dabei. Ich schaue mir dann Filme auf Englisch an, aber ich vermisse natürlich die Filme in meiner Sprache. Während meiner Schulzeit habe ich an einer Kino-AG teilgenommen und wir sind bei einem Wettbewerb zwischen mehreren Schulen mit unserem Kurzfilm Erster geworden. Ich hatte damals sogar die Hauptrolle, aber mein Exemplar des Films habe ich leider verloren. Vermutlich kommt diese Leidenschaft daher.
Welchen Film hast du als letztes gesehen und welchen könntest du dir jeden Tag anschauen?
Ich habe schon länger keinen Film mehr geschaut. Die letzten Serien, die ich gesehen habe, waren Haus des Geldes und Naruto [eine weltweit erfolgreiche Mangareihe; Anm. d. Red.]. Ansonsten gucke ich vor allem Actionfilme und -serien. Colombiana [französischer Action-Thriller; Anm. d. Red] könnte ich mir immer wieder ansehen. Ich weiß nicht, ob dieser Film so bekannt ist. Aber das war einer der ersten Actionfilme, die ich gesehen habe. Ich habe ihn schon mehrfach angeschaut und finde ihn sehr gut.
Was machen die Deutschkenntnisse?
Meine letzte Unterrichtsstunde liegt schon eine Weile zurück, die Coronakrise hat den Lernprozess unterbrochen. Evan hat sehr viel gelernt, ich habe es leider ein wenig schleifen lassen. Trotzdem bin ich insgesamt nicht unzufrieden mit dem bisher Gelernten. Natürlich habe ich vor der Zwangspause aktiver geübt, aber das lässt sich auch wieder steigern (lacht).
Du hast malische Wurzeln und für die französische U21 gespielt. Wohin geht deine Nationalmannschaftsreise?
Meine Eltern kommen beide aus Mali, deshalb fühle ich mich auch als Malier. Dass ich noch nicht für Mali aufgelaufen bin, heißt nicht, dass ich mich dort nicht zuhause fühle. Ich fliege immer wieder gerne nach Mali, auch weil dort noch ein Teil meiner Familie lebt. In fußballerischer Hinsicht habe ich mich noch nicht festgelegt. Ich brauche für diese Entscheidung meine Zeit, weil es etwas Definitives ist, wenn man es einmal beschlossen hat. Meine Familie würde sich natürlich freuen, wenn ich in den malischen Farben auflaufen würde. Aber sie machen mir in dieser Hinsicht überhaupt keinen Druck. Ich lasse mir meine Zeit, alles ist möglich.
Nationalität | Frankreich/Mali |
Geburtsdatum | 28. April 1996 |
Größe | 1,83 Meter |
Gewicht | 80,9 Kilogramm |
Position | Abwehr |
Im Verein seit | 31. August 2019 |
Bisherige Vereine | AS Monaco, AS Monaco B |
Erfolge | Französischer Meister (1) |