Die Familie ist für mich heilig
Filip, nimm uns mal mit in deine Kindheit. Welche Erinnerungen hast Du an diese Zeit?
Ich bin am 1. November 1992 in Kragujevac geboren. Eine Stadt, mit der ich sehr viele schöne Erinnerungen verbinde. Dort stehen mein Familienhaus, in dem ich aufgewachsen bin und die Schule, die ich gemeinsam mit vielen meiner Freunde besucht habe.
Es waren keine einfachen politischen Verhältnisse damals. Fünf Monate bevor du geboren wurdest, entstand Serbien erst aus dem damaligen Jugoslawien.
Unser Volk hat zu dieser Zeit aufgrund der schweren politischen Krise sehr gelitten. Ich war aber noch sehr jung, deshalb kann ich mich daran kaum erinnern.
Wie ist das Verhältnis zu deiner Familie?
Die Familie ist für mich heilig. Vor allem mein Bruder und ich stehen uns sehr nahe, wir sind im ständigen Austausch und machen alles zusammen. Wir unterstützen einander mit guten Ratschlägen und machen Pläne für die Zukunft.
Was hat Filip Kostic gemacht als er klein war, außer Fußballspielen?
Nicht viel. Der Fußball war von klein auf mein Lieblingsspielzeug und er war mein ständiger Begleiter. Wenn ich nicht auf dem Schulhof war, habe ich mit meinen Freunden auf dem Spielplatz gekickt. Mein Bruder und ich haben viel Zeit damit verbracht, in unserem Garten Fußball zu spielen. Andere Dinge wie Fernsehen, Videospiele oder Zeichentrickfilme haben mich nicht interessiert.
Dein Profidebüt hast du beim FK Radnicki gefeiert. Kannst du dich noch daran erinnern?
Natürlich! Der FK Radnicki war damals der größte Verein in der Sumadija-Region und jeder Junge, der aus Kragujevac kam, träumte davon, dieses Trikot zu tragen. Mein erstes Profispiel habe ich schon als 16-Jähriger gemacht. Damals waren wir noch in der Dritte Liga, wir sind aber sehr schnell in die höchste Liga aufgestiegen.
Gab es einen Spieler, zu dem du damals aufgeschaut hast?
Auch wenn wir nicht auf derselben Position gespielt haben, war Michael Ballack mein Lieblingsspieler.
Als 22-Jähriger hast du einen Vertrag beim FC Groningen unterschrieben. Wie kam der Wechsel damals zustande?
Als ich noch bei Radnicki war, haben mich Scouts aus den Niederlanden entdeckt. Zu der Zeit hatte ich zwar noch ein paar andere ernstzunehmende Angebote, aber ich habe mich für Groningen entschieden. In den Niederlanden war es sehr schwierig für mich, schließlich musste ich mich an eine neue Umgebung gewöhnen und eine neue Sprache lernen. Ich habe damals oft an die Rückkehr in die Heimat gedacht. Im Nachhinein war es aber gut, dass ich durchgehalten habe. Ich habe erst dort begriffen, was es heißt, Profifußballer zu sein. Das schaffst du nur mit viel Selbstdisziplin und hartem Training.
Wie war das für dich, das erste Mal so weit von der Heimat entfernt und von der Familie getrennt zu sein?
Am Anfang war es ziemlich schwierig und ungewohnt, ich habe meine Familie sehr vermisst. Ich wusste aber, dass ich durchhalten muss, damit ich mich weiterentwickeln kann. Weil ich das geschafft habe, bin ich jetzt auf dem richtigen Weg.
Ich habe es Fredi Bobic zu verdanken, dass ich den Sprung in die Bundesliga geschafft habe.
Filip Kostic
Dort hast du dich mit guten Leistungen in den Fokus eines gewissen Fredi Bobic gespielt…
Ja, ihm habe ich es zu verdanken, dass ich den Sprung in die Bundesliga geschafft habe. Er hat mir im August 2014 einen Wechsel zum VfB Stuttgart ermöglicht. Für mich war das ein großer Schritt nach vorne. Ich habe schnell gemerkt, dass ich noch härter trainieren muss, um in der Bundesliga konkurrenzfähiger zu sein. Die Bundesliga ist neben der Premier League die körperlich anspruchsvollste Liga. Die Zeit beim VfB war nicht einfach. Wir hatten eine gute Mannschaft und mussten dennoch um den Klassenerhalt kämpfen. Damals stand ich unter einem enormen Druck.
Du bist dann zum HSV gewechselt.
In Hamburg war es noch schwieriger für mich. Der HSV ist ein großer Verein, der damals als Dino der Bundesliga galt. Ich hatte dort allerdings wenig Glück und musste den Verein verlassen. Dann kam die Eintracht, hat mich wieder ins Leben zurückgeholt und meine Karriere wiederbelebt. Dafür möchte ich mich bei Fredi Bobic, Adi Hütter, meinen Mitspielern und den Fans bedanken.
Du bist ein sehr ruhiger Typ. Explodierst du eigentlich nur auf dem Platz?
Privat bin ich sehr entspannt und lache viel. Aber sobald ich auf dem Platz stehe, verwandle ich mich in einen Krieger, der alles gibt - egal wie das Spiel ausgeht. So bin ich einfach. Ich respektiere jeden Gegner, aber ich habe keine Angst.
Auf dem Rasen bist du also furchtlos. Hat der private Filip Kostic auch mal vor etwas Angst?
Natürlich. Ich habe Angst, dass jemandem aus meiner Familie etwas zustoßen könnte. Das Wichtigste ist, dass wir alle gesund sind. Ansonsten habe ich aber vor nichts und niemandem Angst.
Du gibst nicht gerne Interviews. Ist das einfach nicht deine Welt oder hast du mal schlechte Erfahrungen gemacht?
Ich habe keine Probleme mit Interviews. Es ist einfach so, dass ich nach dem Training meistens müde bin und den Großteil meiner Freizeit möglichst mit der Familie verbringen möchte.
Viele sagen, dass auch du ein Topprofi bist und neben den Einheiten noch im Kraftraum schuftest. Was treibt dich an?
Ich versuche jeden Tag das Maximum zu geben. Ich arbeite sehr fleißig, auch vor und nach dem Training. Ich habe mein Leben dem Fußball untergeordnet, deshalb versuche ich mich täglich zu verbessern und weiterzuentwickeln. Die Ernährung, das Training und die Familie sind sehr wichtig für einen Profi, um auf diesem Niveau erfolgreich zu sein.
Gemeinsam mit Kevin Trapp hast du mit dem Espresso-Torjubel für Aufmerksamkeit gesorgt. Was hatte es damit auf sich?
Kevin hatte sich eine neue Kaffeemaschine gekauft, über die er tagelang gesprochen hat. Da auch ich sehr gerne einen guten Espresso trinke, habe ich mir diese Kaffeemaschine ebenfalls besorgt. Zu diesem Zeitpunkt haben wir in der Liga sehr gut und erfolgreich gespielt, wir hatten einen Lauf. Wer weiß, vielleicht lag das auch am Espresso (lacht). Es hat auf jeden Fall großen Spaß gemacht.
Letztens hast du einen ähnlichen Torjubel wie Anthony Modeste gezeigt. Hatte das einen besonderen Grund?
Ich mache allgemein nichts Ausgefallenes beim Torjubel, meistens feiere ich einfach mit meinen Mitspielern. Den einen Torjubel mit den Ferngläsern werde ich jetzt nicht erklären. Es hat eine Bedeutung, aber die soll ein kleines Geheimnis bleiben.
Wie gehst du mit Rückschlägen oder schlechten Spielen um?
Nach jedem Spiel spreche ich mit meinen Mitspielern und meiner Familie, weil sie immer für mich da sind. Es fällt mir immer schwer mit Niederlagen oder vergebenen Torchancen klarzukommen. Ich versuche, schlechte Leistungen nicht zu wiederholen und mich zu verbessern.
Du bist bei Instagram aktiv. Hast du ein Faible für gute Fotos?
Ich benutze Instagram zwar nicht allzu häufig, aber ich poste gerne schöne Fotos. Die Bilder schieße ich entweder selbst oder ich nutze die von Bianca und Franzi [Anm. d. Redaktion: Mitarbeiterinnen der Medienabteilung]. Für uns Spieler ist es natürlich sehr cool, dass ständig solche professionellen Bilder von uns gemacht werden, die wir auch teilen können. Die Fotos sind immer toll, vielen Dank dafür!
Liest du dir auch Kommentare auf Social Media durch?
Es gibt viele interessante Kommentare von Freunden aus Serbien oder von meinen Mitspielern. Manchmal lese ich sie, aber oft habe ich gar nicht die Zeit dafür.
Die Unterstützung von den Rängen ist enorm wichtig.
Filip Kostic
Innerhalb kürzester Zeit hast du dich in die Herzen der Fans gespielt. Was bedeutet dir das?
Natürlich freut es mich sehr, das zu hören, aber ohne meine Mitspieler könnte ich keine gute Leistung auf dem Platz bringen. Die Unterstützung von den Rängen ist enorm wichtig. Unsere Fans sind die besten in Deutschland und das sage ich nicht nur, weil ich hier spiele.
Du bist unter Adi Hütter aufgeblüht. Was macht ihn als Trainer aus?
Er ist ein Experte, Psychologe, Fußballfachmann und Profi. Aber vor allem ist er ein hervorragender Mensch. Seine Fußballphilosophie ist einfach toll und er weiß genau, was er tut. Der Coach hat unheimlich viel mit mir gesprochen, wir haben gemeinsam Videos aus dem Training und aus dem Spiel analysiert. Dadurch hat er mir sehr geholfen meine Karriere wiederzubeleben. Der Anfang bei der Eintracht war schwierig, da ich damals, als ich vom HSV kam, in einem Leistungstief steckte. Ich habe aber bewiesen, dass ich sowohl defensiv als auch offensiv gut spielen kann.
Äußert er dir gegenüber auch Kritik?
Natürlich! Auch wenn ich zugeben muss, dass das nicht allzu häufig vorkommt. Ich denke aber, dass Kritik wichtig ist, um sich weiterzuentwickeln. Er kritisiert mich, wenn ich das Ausgemachte nicht optimal umsetze, ich defensiv schlecht stehe oder manchmal auch, wenn wir ein Spiel verlieren. Er versucht ständig die Mannschaft zu optimieren und Fehler zu beseitigen. Aber Fehler sind normal und ein Teil des Spiels, damit müssen wir Spieler und auch der Trainer leben.
Gibt es etwas, das du dir mit der Eintracht wünschst?
Einen (Meister-)titel. Das wäre nicht schlecht.
Nationalität | Serbien |
Geburtsdatum | 1. November 1992 |
Größe | 1,84 Meter |
Gewicht | 84,1 Kilogramm |
Position | Mittelfeld |
Im Verein seit | 1. Juli 2019 |
Bisherige Vereine | Hamburger SV, VfB Stuttgart, FC Groningen, FK Radnički 1923 |